Im Kampf für Gleichstellung trieb es Frauen in den USA der Zwanzigerjahre auch in radikale Gruppierungen. Sie spielten eine entscheidende Rolle beim Wiederaufstieg des KKK.
Mary Elizabeth Tyler wollte das Hotel Pennsylvania gerade in Richtung New Yorker Broadway verlassen, als ein Journalist der „New York Times“ sie abpasste und nach dem Verlauf ihrer Geschäftsreise fragte. Sie könne sich vor Anfragen kaum retten, sagte Tyler, 700 seien es in nur zwei Tagen gewesen. In der Ausgabe vom 13. September 1921 zitiert die Zeitung die „First Lady“ des Ku-Klux-Klans: „New Yorker Frauen sollten uns beitreten. Der Klan steht für die Dinge, die Frauen besonders wichtig sind.“ Weiter behauptete sie: „Es gibt keinen Zentimeter dieses Staats, den der Klan nicht abdeckt.“
Der Ku-Klux-Klan war zu Beginn der Zwanzigerjahre zwar keine Allmacht, wie Tyler der „New York Times“ und deren Lesern weismachen wollte. Dennoch zählte der Geheimbund drei bis fünf Millionen Mitglieder. Seine Popularität verdankte er Frauen wie Mary Elizabeth Tyler, die als Publizistin für die Außendarstellung des Klans verantwortlich war und an diesem Septembertag 1921 sogar die „New York Times“ zum Werbeorgan machte. Führende Klanfrauen wie Daisy Douglas Barr trugen dazu bei, den Bund salonfähig zu machen. Weibliche Mitglieder führten Kampagnen gegen jene, die gegen die Ideale der Organisation verstießen.
Eine erste Version des Klans war 1865 nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg aus Protest gegen das Ende der Sklaverei gegründet und 1871 aufgelöst worden. Der Kinofilm „Birth of a Nation“ (deutsch: „Die Geburt einer Nation“) wurde 40 Jahre später zum Geburtshelfer einer Neuauflage: Das Werk von Regisseur David Wark Griffith spielt in der Zeit des US-Bürgerkriegs, durchsetzt mit rassistischen Motiven. Der Film war ein kommerzieller Erfolg und beeindruckte zahlreiche Kinogänger – auch Wanderprediger William Joseph Simmons.
Simmons bestieg am Abend des Thanksgiving-Fests 1915 mit einer Gruppe Gleichgesinnter einen Fels am Rande von Atlanta, verbrannte ein Kreuz und rief den Ku-Klux-Klan neu ins Leben. „Viele Charakteristika des Klans 1915 gehen auf die Fantasie von William Simmons zurück“, sagt Thomas Pegram, Historiker an der Loyola Universität Maryland. Pegram hat über den Wiederaufstieg des Klans ein Buch geschrieben: „One Hundred Percent American. The Rebirth and Decline of the Ku Klux Klan in the 1920s“. Klan-Gründer Simmons ließ sich für Kreuz-Verbrennung und die weißen Kutten von „Birth of a Nation“ inspirieren. Ihm schwebte eine Männerorganisation vor, deren Mitgliedschaft weißen Protestanten vorbehalten war.
Modernes Marketing für den Rassismus
Doch die Ausrichtung auf Rassenhass gegen Schwarze erwies sich schnell als zu eng. In den ersten fünf Jahren gewann die Organisation kaum Mitglieder. Simmons übergab das Tagesgeschäft an Mary Elizabeth Tyler und Edward Young Clarke, die gemeinsam die Werbeagentur „Southern Publicity Association“ führten. „Clarke war ein bisschen verträumt, aber Tyler bewies großes Talent darin, die Organisation zu vermarkten und aufzubauen“, sagt Historiker Pegram. Unter ihrer Ägide erweiterte der Klan seine ablehnende Haltung gegen Juden, Katholiken und Einwanderer.
Die USA erlebten seit dem späten 19. Jahrhundert eine beispiellose Einwanderungswelle und steckten mitten in der Transformation zu einer Industrienation. „Zwischen 1880 und 1920 waren die meisten Einwanderer keine weißen Protestanten, sondern Katholiken aus Südeuropa, Juden aus Osteuropa, orthodoxe Gläubige von weiter östlich und sogar einige Muslime“, sagt Linda Gordon, Professorin für Geschichte an der New York University. Gordon ist Autorin des Buchs „The Second Coming of the KKK: The Ku Klux Klan of the 1920s and the American Political Tradition“. Amerika fürchtete um seine kulturelle Identität und flüchtete sich in Nativismus: Amerikaner war nur, wer auch in Amerika geboren worden war.
Tyler und Clarke nutzen die Ressentiments und rekrutierten unzählige neue Mitglieder. „Tyler betrieb als eine der Ersten modernes Marketing“, sagt Kathleen Blee, Professorin für Soziologie an der University of Pittsburgh. Sie hat die Rolle der Frauen im Ku-Klux-Klan untersucht und ihre Erkenntnisse in „Women of the Klan“ (dt: Frauen im Klan) veröffentlicht. Tyler organisierte Veranstaltungen wie Rodeos, Flugshows oder Badewettbewerbe, um große Menschenmengen zu versammeln. Dort traten Redner auf und verbreiteten die Klan-Ideologie. Sie heuerte Pfarrer an, die von der Kanzel aus ihre Kirchengemeinde überzeugten. „Statt Anhänger einzeln zu rekrutieren, warb sie ganze Gruppen auf einmal“, so Blee.
„Kaufe nur beim Klan!“
Tyler und ihre Getreuen hatten bei ihren Rekrutierungsbemühungen Frauen fest im Blick. 1920 traten der 18. und 19. Zusatzartikel zur US-Verfassung in Kraft und brachten ein landesweites Alkoholverbot und das Frauenwahlrecht. Für beide Belange hatten sich Frauengruppen wie die Women’s Christian Temperance Union (WCTU) und die Suffragetten-Bewegung eingesetzt. Die Klan-Oberen verknüpften diese Euphorie geschickt mit den Motiven, die Frauen in die Prohibitions- und Wahlrechtsbewegung getrieben hatten: Der Kampf gegen Alkoholsucht, Armut und häusliche Gewalt.
Daisy Douglas Barr, Quäkerin und Predigerin mit Redetalent, setzte sich im US-Bundesstaat Indiana mit aggressiven Kampagnen für die Prohibition ein und lernte in ihrer Führungsrolle der örtlichen WCTU, Frauen in Gruppen zu organisieren, um politischen Druck auszuüben. Ihre Talente brachten ihr als erste Frau den Vizevorsitz in der Republikanischen Partei von Indiana. 1923 übertrug ihr D.C. Stephenson, Grand Dragon des Ku-Klux-Klans in Indiana, die Führung der örtlichen Frauengruppe „Queens of the Golden Mask“ (deutsch: Königinnen der goldenen Maske). Auf der ersten Jahresversammlung der Grand Dragons des Klans stellte Barr ihre Loyalität mit einem Gedicht unter Beweis: „Ich bin der rechtschaffene Geist / Sie nennen mich Ku-Klux-Klan / Ich bin mehr als die grobe Robe und Kapuze / Mit der ich bekleidet bin / Ja, ich bin die Seele von Amerika.“
Barr versammelte Frauen auf Kirchenveranstaltungen und bei Picknicks. Sie verband die Ideologie des Klans mit Wohlfahrt. „Die Klanfrauen machten sich für Waisenhäuser, den Bau von Krankenhäusern oder Heime für Schwangere stark“, sagt Pegram. Meist ging es darum, einer bestehenden katholischen Einrichtung Konkurrenz zu machen. Doch der Aktionismus beschränkte sich nicht auf Picknicks und Wohlfahrt. „Sie hatten sogenannte Flüsterkampagnen, die weitläufig Gerüchte über ihre Opfer verbreiteten“, sagt Soziologin Blee.
Unter der Ägide „Kaufe nur beim Klan“ initiierten die Frauen Boykotts gegen Ladenbesitzer und sorgten dafür, dass jene, die nicht in die Ideologie passten, ihre Arbeit verloren. Klanfrau Lillian Sedwick setzte sich als Mitglied der Schulbehörde in Indiana dafür ein, die Überlegenheit der weißen Rasse im Klassenzimmer zu lehren. An Gewaltakten, die der Klan im Süden der USA beging, nahmen Frauen zwar nicht teil. „Das heißt nicht, dass sie nicht guthießen, was der Klan tat. Lynchmorde waren öffentliche Veranstaltungen, wurden angekündigt und zogen ein großes Publikum an“, sagt Gordon.
An Beitrittsgeldern bereichert
Zu seiner Blütezeit hatte „Women of the Ku Klux Klan“, der Frauen-Arm des Klans, nach Schätzungen von Historikern 500.000 Mitglieder. In den meisten Staaten existierten die Frauengruppen weitgehend unabhängig von den Männer-Verbänden, sahen sich aber nicht als untergeordnet. Manche weigerten sich, die Rekrutierungsgelder an das Hauptquartier nach Atlanta zu schicken.
Tyler und Clarke behielten 80 Prozent der Einnahmen aus Beitrittsgeldern und scheffelten Geld mit dem Verkauf von Roben. Durch den finanziellen Aufstieg und Affären fiel Tyler in Ungnade und wurde 1923 aus dem Klan gedrängt. Daisy Douglas Barr verlor sich in einem Machtkampf mit einer Konkurrentin, der in einer Anklage wegen Verleumdung mündete. Auch gegen Barr wurden Vorwürfe laut, sie bereichere sich. Als 1923 ihre Klan-Mitgliedschaft öffentlich wurde, musste sie ihren Posten in der Republikanischen Partei räumen. Drei Jahre später verlor Barr ihre Führungsrolle bei den Klanfrauen an Lillian Sedwick.
Machtkämpfe und Skandale auf der Führungsriege schadeten dem Klan nachhaltig. Indiana-Klanführer D.C. Stephenson wurde 1925 verhaftet und verurteilt, weil er die 29-jährige Angestellte Madge Oberholtzer entführt, brutal vergewaltigt und so schwer verletzt hatte, dass sie an den Folgen starb. „Es gab einen ähnlichen Skandal in Colorado. Danach war die Luft aus der Klan-Bewegung sehr schnell raus“, sagt Historiker Pegram. Der neue Imperial Wizard Hiram Wesley Evans wollte die Bewegung gegen den Willen vieler Landesverbände zu einer politischen Macht ausbauen. Die Klan-Bewegung zerfiel in Splitter-Gruppen. Während der Bürgerrechtsbewegung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren drängte der Klan noch einmal mit Gewaltakten in die Öffentlichkeit.
Obwohl er bis heute besteht, konnte er nie an seine frühere Popularität anknüpfen.
(einestages/Spiegel)