Die nächsten vier Jahre entscheiden, ob Deutschland das Pariser Abkommen einhält. In Gastbeiträgen für EnergieWinde beschreiben Union, SPD, FDP, Linke und Grüne ihre Pläne. Im Ziel sind sie sich einig – die Wege dorthin unterscheiden sich deutlich.
CDU/CSU:
„CDU und CSU sind die einzigen Parteien, die gewährleisten, dass ambitionierter Klimaschutz einhergeht mit wirtschaftlicher Stabilität, Wachstum und sozialem Frieden. Unser Klimaziel von minus 40 Prozent in 2020 gegenüber 1990 haben wir übertroffen. Ende 2019 haben wir mit dem Bundesklimaschutzgesetz das bisher größte Klimaschutzpaket verabschiedet und auf eine feste rechtliche Basis gestellt. 2021 haben wir das nationale Klimaziel auf minus 65 Prozent bis 2030 erhöht und die Klimaneutralität auf 2045 vorgezogen. Der Kohleausstieg bis 2038 ist festgeschrieben. Dafür setzen wir auf Innovationen, Kosteneffizienz und Technologieneutralität.
Unsere Anstrengungen sollen Beispiel für die internationale Staatengemeinschaft sein, dass anspruchsvoller Klimaschutz, wirtschaftliches Wachstum und soziale Sicherheit gemeinsam zu verwirklichen sind. Klimaschutz ist eine globale Aufgabe. Deutschland wird nur dann eine internationale klimapolitische Vorbildfunktion einnehmen, wenn es als Industriestandort erfolgreich bleibt und die energieintensive Industrie nicht in Länder mit geringeren Klimaschutzanforderungen abwandert. Das würde zu weniger Klimaschutz führen – und Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland kosten.
Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) ist für uns das Leitinstrument. Es gibt den Emissionen einen Preis und setzt marktwirtschaftliche und technologieneutrale Anreize für Investitionen und Innovationen. In Deutschland greift es seit Beginn des Jahres für alle Emissionen, die im Bereiche Wärme und Verkehr entstehen und bislang nicht vom ETS erfasst sind. Es ist ein Erfolg der deutschen Klimapolitik, dass die EU-Kommission unseren Ansatz aufgreift und für die Emissionen aus dem Gebäude- und Verkehrsbereich die Einführung eines Emissionshandelssystems vorschlägt.
Um den internationalen Klimaschutz voranzubringen, müssen wir schrittweise ein global wirksames CO2-Preissignal mindestens auf der Ebene der G20 etablieren. Die Chancen dafür stehen angesichts der klimapolitischen Ausrichtung der USA unter der Biden-Administration gut. Wichtig ist die Einbeziehung Chinas als in Kürze weltweit größtem CO2-Emittenten.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland müssen wir stärker auf einen technologieoffenen Wettbewerb setzen, der innovative Lösungen wie Speicher, die Digitalisierung des Energiesystems oder Wasserstofftechnologien voranbringt. Das über 20 Jahre alte EEG mit seiner technologiespezifischen Förderung reiner Erzeugungskapazitäten ist nicht mehr zeitgemäß und sollte zeitnah auslaufen. Auch die EEG-Umlage gehört zeitnah abgeschafft.“ Marie-Luise Dött, umweltpolitische Sprecherin, und Andreas Lämmel, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion
SPD:
„Die SPD verfolgt beim Klimaschutz einen ganzheitlichen Ansatz: Wir setzen uns für den Drei-klang aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem ein. Klimaschutz muss bezahlbar sein und zum Mitmach- und Teilhabeprojekt für alle werden.
Wir haben den Kohleausstieg gesetzlich verankert und zusammen mit Bürger*innen in den Revieren den konzeptionellen Rahmen für die Strukturhilfen und das Anpassungsgeld für Beschäftigte erarbeitet und ihnen damit eine Perspektive gegeben.
Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben, indem wir Genehmigungsverfahren vereinfachen und rechtssicherer machen, ohne die Mitspracherechte der Bürger*innen einzuschränken. Bis 2040 wollen wir unseren Strombedarf ausschließlich aus Erneuerbaren decken. Wir werden die EEG-Umlage bis 2025 abschaffen, damit schaffen wir mehr Gestaltungspielraum und die Energiewende bleibt bezahlbar. In einem Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen werden wir verbindliche Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien vereinbaren und ihn gemeinsam weiterentwickeln. Denn Energiewende heißt für uns, alle Sektoren einzubeziehen: neben dem Stromsektor sind dies die Sektoren Wärme, Kälte und Verkehr.
Wir wollen Energiegemeinschaften fördern; dazu gehören Wohnquartiere ebenso wie private und kommunale Unternehmen zum Beispiel mit der Nutzung von Abwärme, dem Einsatz von Wasserstoff und der Hebung von Effizienzpotenzialen. Entsprechend den regionalen Gegebenheiten wollen wir auch Geothermie und Biomasse verantwortungsbewusst ausbauen.
Für eine klimafreundliche Mobilität bedarf es einer Überarbeitung der Rahmenbedingungen für die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr. Die Elektromobilität wollen wir weiter vorantreiben, indem wir die Infrastruktur kosteneffizient ausbauen. Städte sollen rad- und fußgängerfreundlich umgebaut werden.
Begleitet werden diese Ansätze durch eine CO2-Bepreisung und einer Reform des Steuer- und Abgabensystems. Die Debatte über CO2-Preise führen wir mit Respekt vor denen, die ihre Arbeitsplätze gefährdet sehen, oder die nicht gleich auf andere Mobilitätsformen oder Heizungen umsteigen können. Denn solange keine kostengünstigen Alternativen zur Verfügung stehen, entfalten höhere CO2-Preise keine Lenkungswirkung, sondern belasten untere und mittlere Einkommen. Das ist mit uns nicht zu machen.
Wir stehen für eine auf Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit ausgerichtete Reform des Steuer- und Abgabensystems, Fehlanreize müssen abgebaut und die Transformationskosten nach Leistungsfähigkeit gerecht verteilt werden.“ Bernd Westphal, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
FDP:
„Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Deshalb bekennen wir Freie Demokraten uns zu den Pariser Klimazielen. Dabei ist Klimaschutz eine sektorübergreifende, weltweite Gemeinschaftsaufgabe – nationale Alleingänge sind aus diesem Grund nicht sinnvoll sind und haben kaum Auswirkungen auf das Klima. Um das Klimaabkommen trotzdem zu erfüllen, brauchen wir einen CO2-Deckel: Die Politik muss das Ziel vorgeben, der Weg dorthin führt aber nicht über Verbote, sondern über Innovationen und klimafreundliche Investitionen.
Für uns gilt das Zielquadrat aus Ökologie, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Bis 2050 werden die erlaubten CO2-Emissionen schrittweise gesenkt. Wer weiterhin CO2 ausstößt, muss Zertifikate erwerben, die jährlich weniger und dadurch teurer werden. Der Preis je Tonne CO2 bildet sich also am Markt und wird nicht planwirtschaftlich vorgegeben. Damit schaffen wir einen marktwirtschaftlichen Anreiz, dort aktiv zu werden, wo kostengünstig Treibhausgasemissionen eingespart werden können.
Denn für das Klima spielt es keine Rolle, welcher Sektor Emissionen einspart. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass wir mit einem sektorübergreifenden Emissionshandel die Klimaziele erreichen, und das am besten auf der ganzen Welt: Da auf dem gesamten Erdball die Mobilität wächst und der Energiebedarf steigt, müssen alle emissionsarmen Energieträger, aber auch CO2-Reduktionstechnologien berücksichtigt werden, um die Klimaziele zu erreichen.
Dazu zählen zum Beispiel sicher verfügbarer Ökostrom, grüner Wasserstoff, synthetische Kraft- und Brennstoffe, die Abscheidung und die Speicherung von CO2 und eine CO2-Kreislaufwirtschaft. Deutschland wird seiner Vorbildwirkung aber nur dann gerecht, wenn die Klimapolitik zum einen die Innovationskraft des Marktes nutzt und nicht einschränkt und zum anderen die gesellschaftliche Akzeptanz fördert und nicht mit Verboten Vertrauen gefährdet.
Statt ideologischer Denkverbote brauchen wir Technologieoffenheit und Wettbewerb. Zudem bedarf es eines globalen Technologietransfers und einer marktwirtschaftlichen Entwicklungspolitik. Sicher ist: Der Weg muss in Deutschland und Europa starten; er ist aber erst zu Ende, wenn es einen CO2-Deckel gibt und alle Emissionen weltweit einen einheitlichen marktwirtschaftlichen CO2-Preis haben. Mit diesem Weg kann Deutschland beweisen, dass Klimaschutz mit Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität vereinbar ist.“ Martin Neumann, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion
Die Linke:
„Wer links wählt, wählt Klimaschutz ohne faule Kompromisse. Klimaneutralität bereits bis 2035 hat keine andere im Bundestag vertretene Partei in ihrem Programm. Damit ist klar, Die Linke hat die ambitioniertesten Ziele und die ernsthafte Absicht, die 1,5 Grad-Grenze der Klimaerwärmung nicht zu überschreiten. Wie wichtig das ist, zeigen die Hitzerekorde und Überschwemmungen der letzten Jahre.
Wer links wählt, wählt gleichzeitig auch Gerechtigkeit. Denn wer Klimaschutz will, muss darauf achten, dass nicht die Ärmsten alles bezahlen müssen, daher muss Klimaschutz sozial sein. Das heißt zum Beispiel, dass Kohlekumpel nicht allein gelassen werden, wenn sie ihren Job verlieren und Vermieter nicht die Kosten für die energetische Sanierung auf Mieterinnen und Mieter abwälzen können.
Die nächsten zehn Jahren sind entscheidend, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimaerwärmung noch zu verhindern. Wir stehen vor einem riesigen Umbau unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Dieser Umbau muss sozial gerecht ablaufen, sonst gelingt er nicht. Dazu gehört für uns, das Profitstreben, das auf Ressourcenverschwendung und Ausbeutung von Mensch und Natur beruht, aufzugeben. Ein Systemwechsel muss her, der Schluss macht mit den Privilegien für Konzerne und Superreiche und den massiven Subventionen für fossile Energien.
Den Umbau zur Klimaneutralität wollen wir nutzen, um auch eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Die Linke hat dafür einen detaillierten Plan, wie das genau umzusetzen ist, nachzulesen im Aktionsplan Klimagerechtigkeit. Konkret muss bis spätestens 2030 aus der Kohle ausgestiegen werden, für den Braunkohletagebau dürfen keine weiteren Dörfer abgebaggert werden. Gleichzeitig muss der Zubau an erneuerbaren Energien verdrei- bis verfünffacht werden. Eine Art Häuser-TÜV und eine erhebliche Erhöhung der Sanierungsförderung bringt Gebäude auf den neuesten Stand. Gleichzeitig muss Energie bezahlbar sein.
Dafür müssen Kosten der Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) aus dem Bundeshaushalt finanziert werden und eine Reform der Netzentgelte für mehr Gerechtigkeit sorgen. Eine echte Verkehrswende bedeutet für uns auch mehr Lebensqualität, vor allem in den Städten: Öffentlicher Nahverkehr zum Nulltarif, Kurzstreckenflüge und Güterverkehr müssen auf die Schiene. Die Landwirtschaft muss der Konzernmacht entzogen und regionale Erzeuger gesunder Lebensmittel gestärkt werden. Das gute Leben für alle ist möglich. Die Linke sorgt für Klimagerechtigkeit.“ Lorenz Gösta Beutin, energiepolitischer Sprecher der Linken-Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen:
„Die vom Menschen verursachte Klimakrise wird zur Klimakatastrophe, wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen nicht drastisch reduzieren. Schon heute nehmen weltweit extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Hitze und Dürren zu. Und das nicht nur auf anderen Kontinenten, wo immer mehr Menschen zu Klimaflüchtlingen werden, sondern auch bei uns vor der Haustür. Nach drei Dürresommern in Folge haben dieses Jahr viele Menschen in Deutschland die Folgen ungeheuerlicher Überflutungen am eigenen Leib erfahren müssen.
Wir Grüne kämpfen im Bundestag seit vielen Jahren für konsequenten Klimaschutz. Sei es beim Ausbau der erneuerbaren Energien, zeitgemäßen Standards für energieeffiziente Gebäude, einer anderen Mobilitätspolitik oder der Agrarwende: Immer wieder haben wir konkrete Vorschläge eingebracht, wie Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad kommen kann. Doch die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat die notwendigen Schritte verhindert und somit die Energiewende in unverantwortlicher Weise verzögert.
Insbesondere die Union ist zum größten Standortrisiko für Deutschland geworden. Sie verhindert Investitionen in eine zukunftsfähige Energieversorgung und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe, obwohl viele Unternehmer*innen nur auf die richtigen Signale warten. Auch viele Privatleute, die mit Engagement und finanziellen Mitteln die Energiewende voranbringen wollen, hat die schwarz-rote Koalition durch zusätzliche Bürokratie, Abgaben und Umlagen abgeschreckt.
Nur mit starken Grünen im nächsten Parlament und möglichst als Teil der neuen Bundesregierung können wir dafür sorgen, dass auch die anderen Parteien endlich handeln beim Klimaschutz. Denn bisher galt von Linken bis FDP vor allem: große Worte, aber nichts dahinter. Wir Grüne machen ernst und sorgen für die notwendigen Maßnahmen. Und: Wir haben den sozialen Ausgleich im Blick. So wollen wir beispielsweise die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung von Öl und Gas als direktes Energiegeld und Senkung der Strompreis-Abgaben zurückgeben.
Wir Grüne wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien wieder in Schwung bringen, den Kohleausstieg bis 2030 vollenden und den Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor einleiten. Außerdem brauchen wir einen umfassenden Ansatz für klimaneutrale Gebäude. Für die notwendigen Weichenstellungen sind die nächsten vier Jahre entscheidend. Beim Klimaschutz geht es um nicht weniger als den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Und das nicht nur bei uns in Deutschland und in Europa, sondern weltweit.“ Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen