Börsenspiel

My Art Invest will Kunstinvestments auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich machen. Gründer Tom-David Bastok ruft die erste Börse für zeitgenössische Kunst ins Leben.

Wer würde nicht gern einen Klassiker der zeitgenössischen Kunst sein Eigen nennen, ohne dafür ein Vermögen ausgeben zu müssen? Manch einer gibt sich vielleicht auch mit einem (An-)Teil eines Kunstwerks zufrieden, sei esaus Liebe zur Kunst oder Freude am Spiel. Die junge Firma My Art Invest möchte das ermöglichen. Das französische Unternehmen funktioniert nach dem Prinzip eines Kunstfonds – allerdings können Kunstliebhaber hier erheblich geringere Summen einzahlen. „Wir wollen es jedermann ermöglichen, in ein Kunstwerk zu investieren“, sagt Tom-David Bastok über seine Geschäftsidee.

Tom David Bastok; copyright: My Art Invest
Tom David Bastok; copyright: My Art Invest

Diese entwickelte Bastok während seines Studiums an einer Pariser Universität. Im dritten Jahr seines Finanzstudiums hatte der junge Franzose genug von der Theorie. Er wollte seine Idee, die erste Börse für zeitgenössische Kunst aufzubauen, in die Praxis umsetzen. Mit 5000 Euro Startkapital richtete Bastok im März 2011 die Internetseite myartinvest.com ein und kaufte die ersten Kunstwerke von jungen Künstlern wie William Benhamou, Benjamin Capdevielle und Yves Krief. Bereits nach drei Wochen finanzierte sich sein Projekt selbst. Die französische Presse wurde auf ihn aufmerksam, der heute 25-Jährige gab seine ersten TV-Interviews. Nach nur vier Monaten hatte My Art Invest 1000 Mitglieder, die im Schnitt 285 Euro investierten. Heute sind 4000 Kunden registriert.

Bastok ist mit seiner Idee offenbar in eine Marktlücke gestoßen. Er kauft Kunstwerke auf Auktionen, in Galerien oder direkt von den Künstlern. Jede Woche werden drei bis fünf neue Stücke auf der Website präsentiert. Ihr Wert wird geschätzt, anschließend werden sie in 100 Anteile gesplittet, die zum Verkauf gestellt werden. Wie man an der Börse in Aktien eines Unternehmens investiert, kaufen Kunstliebhaber über die Internetseite einen oder maximal alle 100 Anteile eines Kunstwerks. Bezahlt wird über eine Bankverbindung oder via Paypal. „Wer in einen Kunstfonds einsteigen will, muss sehr große Summen anlegen. Bei My Art Invest muss man für manche Anteile nur vier Euro aufbringen“, so Bastok.

Für das Geld kann ein risikofreudiger Kunde als einer der ersten in Werke aufstrebender junger Künstler investieren oder sich an einen der Alten Meister wagen. My Art Invest arbeitet mit 60 Künstlern zusammen. Auf der Seite finden sich Marilyn-MonroeDrucke von Andy Warhol, Skulpturen des französischen Künstlers Richard Orlinski und der „Blue Balloon“ von Jeff Koons. Als ihm ein amerikanischer Kunsthändler vor rund einem Jahr einen seltenen Druck von „Rome pays off“ von Jean-Michel Basquiat anbot zögerte Bastok nicht lang. Er stellte das Werk für einen Schätzwert von 25.000 Euro auf seine Plattform. Heute wird er auf bis zu 35.000 Euro geschätzt, Investoren haben 40 Prozent Gewinn gemacht. Momentan stehen noch 20 Anteile zum Verkauf.

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Einer von Bastoks Lieblingen: „Kiss of Death“ von D*Face; copyright: My Art Invest

Mit seiner Plattform erwirtschaftete Bastok innerhalb von zwei Jahren einen Umsatzerlös von einer Million Euro. My Art Invest hat mehr als 125 Bilder, Drucke und Skulpturen im Portfolio und beschäftigt sieben Mitarbeiter. Denn das Unternehmen bietet seinen Kunden nicht nur den Kauf von Anteilen an einem Kunstwerk, sondern auch den Handel mit ihnen.

Die Internetseite verfügt über ein soziales Netzwerk, in dem sich die registrierten Kunden treffen und fachsimpeln können. Dort haben sie auch die Möglichkeit, ihre Anteile zu tauschen oder zu verkaufen. „Wenn die Website fünf Jahre online ist, schlagen wir den Kunden einen Preis für das Kunstwerk vor. Sind sie einverstanden, verkaufen wir die Kunstwerke wieder an Galerien oder Auktionen“, sagt Bastok. Bis dahin überlässt es der junge Franzose seinen Kunden, die Anteile untereinander zu handeln.

Die Preise dafür können erheblich differieren: Für einen Anteil an Ben Frosts „Apocalypse the musical“ werden zwischen 13 Euro und 35 Euro gefordert. Für Takashi Murakamis „Me and double Bob“ kann man zwischen 25,50 Euro und 350 Euro ausgeben. Bastok sieht diese Preisunterschiede als Teil des Spiels und vergleicht es mit dem Handel an der Börse – auch dort müssten Investoren den richtigen Preis finden, um in ein Unternehmen einzusteigen.

Die teilweise großen Preisspannen für einzelne Anteile desselben Bildes sind für die Galeristin Christina Bennewitz ein eindeutiger Hinweis, dass es bei My Art Invest in erster Linie um die Geldanlage geht. „Wer sich damit auskennt, hat auf dieser Seite sicher Spaß. Aber der traditionelle Kunstliebhaber wird sich davon kaum angesprochen fühlen“, so die Leiterin der Dresdener Galerie.

Wer das Spiel mitspielen will, für den muss ein Werk kein rein virtueller Besitz bleiben. Alles was die Börse akquiriert, hängt in der Galerie des Unternehmens in Neuilly sur Seine oder wird in dessen Lagerhalle aufbewahrt. Die Kunden können die Stücke jederzeit besichtigen. Investoren, die fünf oder mehr Aktien halten, gesteht My Art Invest obendrein das Recht zu, sich ihr Kunstwerk für einen Monat in die Wohnung oder das Büro zu hängen. Den Transport muss der Kunde allerdings selbst übernehmen – und zudem eine Kaution in Höhe von 150 Prozent des geschätzten Wertes hinterlegen.

Galeristin Bennewitz blickt interessiert auf die junge Konkurrenz aus dem Internet. Sie geht aber davon aus, dass My Art Invest das traditionelle Galeriegeschäft so schnell aber nicht tangieren wird. Im Kunstmarkt laufe nun einmal vieles über Vertrauen und den guten Namen. Dafür brauchen Bastok und sein Team einen langen Atem.

erschienen im artinvestor 04/2013