Australien entdeckt Offshore-Wind

Seit acht Jahren laufen die Planungen für Australiens ersten Offshore-Windpark. Von der Regierung wurde die Branche lange stiefmütterlich behandelt. Doch angesichts der auf dem Kontinent wütenden Buschfeuer deutet sich ein Kurswechsel an.

500 Quadratkilometer Fläche, eine Leistung von 2,2 Gigawatt und Strom für bis zu 1,2 Millionen Haushalte: Dafür, dass Australien ein Nachzügler in der Offshore-Windenergie ist, sind die Pläne umso größer. Der erste Windpark vor den Küsten des Kontinents soll gleich der größte der Welt werden. Star of the South heißt das Projekt, das Australien einen Spitzenplatz auf der Liste der Offshore-Wind-Länder bringen würde. Nach acht Jahren Planung laufen derzeit die Machbarkeitsstudien.

„Es ist eine spannende Zeit für die Entwicklung von Offshore-Wind in Australien, während der globale Offshore-Windmarkt rapide wächst“, sagt Casper Frost Thorhauge. Der Däne ist seit anderthalb Jahren CEO von Star of South und bringt langjährige Erfahrung in der Branche mit, unter anderem aus Projekten in Taiwan. Star of the South soll zwischen sieben und 25 Kilometer vor der Küste des Bundesstaats Victoria im Südosten Australiens entstehen. Aktuell werden die möglichen Auswirkungen auf Flora und Fauna, den Meeresboden sowie das Wind- und das Wellenverhalten untersucht.

Die Entwicklung des Projekts dauert so lang, weil Star of the South die Rolle des Pioniers zufällt: Australien besitzt bislang noch kein Regelwerk für Offshore-Wind. Der Ausbau der Erneuerbaren genießt in der rechtskonservativen Koalition unter Premierminister Scott Morrison zudem keine Priorität. Er ist lange Zeit vor allem als Bremser im Kampf gegen den Klimawandel aufgefallen. Noch 2019 erklärte er trotz Dürren, Rekordhitze und monatelang wütender Buschfeuer in Australien, man werde sich auf keine unbesonnenen Klimaziele einlassen, die Arbeitsplätze in den traditionellen Industrien gefährden könnten. Erst im vergangenen Jahr deutete er eine vorsichtige Kehrtwende an.

Im Oktober schließlich erklärte die Regierung, dass die für Öl- und Gasbohrungen auf See zuständige Behörde Nospema mit einem Budget von umgerechnet 30 Millionen Euro ein Regelwerk für Offshore-Wind erarbeiten soll. Denn noch ist offen, wie die Ausschreibung und die Förderung der Parks funktionieren werden. „Die ersten Projekte werden meist mit Crowdfunding realisiert. Wenn es dann genügend Konkurrenz im Sektor gibt, wird zum Beispiel das Contracts-for-Difference-System attraktiv“, erklärte Alastair Dutton vom Weltverband Global Wind Energy Council (GWEC) gegenüber EnergieWinde.

Australiens Offshore-Wind-Pioniere zapfen Know-How aus Europa an

Die Initiatoren von Star of the South haben sich mit Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) einen erfahrenen Investor an Bord geholt. CIP ist auf die Finanzierung erneuerbarer Energien spezialisiert und hat etwa 2017 in den deutschen Offshore-Windpark Veja Mate investiert. Zum Projektteam der Australier gehören außerdem Experten, die schon Parks in Dänemark, Deutschland, Großbritannien und Taiwan realisiert haben.

Welche Technik oder Turbinenlieferanten bei Star of the South zum Zuge kommen, steht noch nicht fest. Man werde soweit möglich auf lokale Ressourcen beim Bau und Betrieb der Anlagen setzen, hieß es. Unterstützung könnte auch aus Südostasien kommen, wo der Offshore-Markt bereits stärker entwickelt ist. Weil die Wassertiefe in dem Projektgebiet nicht mehr als 50 Meter beträgt, werden die Turbinen auf im Boden verankerten Fundamenten stehen. „In vielen Teilen Australiens ist das Wasser tiefer, auf lange Sicht würde das Land also von schwimmenden Windparks profitieren“, sagt GWEC-Experte Dutton.

Starker Wind, viel Sonne: Ökostrom hat Down Under enormes Potenzial

Insgesamt sind die Aussichten im australische Markt vielversprechend: Die Windbedingungen sind besonders im Süden und um Tasmanien herum hervorragend. Erste Unternehmen versuchen es mit einer Hybridlösung. Im September wurde bekannt, dass der Öl- und Gaskonzern Pilot Engery an der Westküste Australiens das Mid West Wind & Solar Project realisieren will. Bis zu 78 Offshore-Windturbinen mit jeweils 14 Megawatt Kapazität sollen gemeinsam mit einer Solaranlage an Land Strom produzieren, um Ölförderplattformen mit Strom zu versorgen.

Es ist ein Schritt zu mehr grüner Energie – aber die Entwicklung ist nicht selbstverständlich. Im jährlich erscheinenden Climate Change Performance Index landete Australien unter den 61 bewerteten Ländern auf Platz 54. Besonders schwach stand der Staat in den Bereichen Klimapolitik und erneuerbare Energien da.

Die in Australien starken Murdoch-Medien schüren Zweifel am Klimawandel

Der Bundesstaat Victoria ist nicht nur der Standort des ersten Offshore-Windparks, sondern auch der Geburtsort von Medientycoon Rupert Murdoch. Dessen Unternehmensgruppe News Corp. zählt zu den führenden Meinungsmachern in Australien. Nach den verheerenden Buschfeuern im Sommer 2019/20, die mehr als 18 Millionen Hektar Land vernichteten, sahen die Murdoch-Blätter die Ursache nicht in der Klimakrise, sondern in Brandstiftern, die die Feuer gelegt hätten.

In einer Debatte mit News-Corp.-Mann Paul Kelly, Chefredakteur der einzigen landesweit erscheinenden Tageszeitung „The Australien“, platzte Australiens früherem Premierminister Malcolm Turnbull im Herbst der Kragen. „Zu sagen, dass man an Erderwärmung glaubt oder nicht glaubt, ist wie wenn man sagt, man glaubt oder glaubt nicht an die Schwerkraft. Sie haben etwas, das eine Frage von Technik und Wirtschaft sein sollte, in Ideologie und Idiotie verwandelt. Und wir zahlen den Preis dafür mit einer verzögerten Reaktion auf die Erderwärmung.“

In der Bevölkerung erhielt Turnbull viel Zuspruch. Nach einer aktuellen Umfrage von The Australia Institute sind acht von zehn Australiern über den Klimawandel besorgt und fürchten, dass er zu mehr Buschfeuern führt. 83 Prozent der Australier wollen deshalb eine Abkehr vom fossilen Brennstoff Kohle. Und beinahe zwei Drittel unterstützen die Investitionen in erneuerbare Energien.

Rückenwind für das Projekt Star of the South also. Wenn alle Anforderungen erfüllt und die Genehmigungen erteilt sind, könnte der Bau Mitte dieser Dekade starten und der Park bis 2030 ans Netz gehen.

 (energiewinde.de)