America First in der Offshore Windkraft

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(Foto: Flickr)

Seit 1920 schreibt der Jones Act den Einsatz von US-Schiffen für den Gütertransport zwischen US-Häfen vor. Das bremst die Offshore-Windenergie aus, denn die nötigen Spezialschiffe gibt es vor Ort nicht. Doch das dürfte sich bald ändern.

Der Wahlsieg von Joe Biden war für Amerikas Offshore-Windindustrie ein Hoffnungssignal. Der Präsident will in den kommenden zehn Jahren 1,7 Billionen Dollar in den Klimaschutz und saubere Energieträger investieren. Offshore-Windparks spielen eine wichtige Rolle in seinen Plänen. Doch gleich eine seiner ersten Maßnahmen macht es der Branche nicht gerade einfacher. Denn wenige Tage nach seiner Amtseinführung bekräftigte Biden in einem präsidialen Erlass eine strikte Auslegung des Jones Acts, der den Warenverkehr zwischen Zielen in US-Gewässern regelt.

„Der Jones Act betrifft jetzt auch den Transport von Waren zu Offshore-Windenergieanlagen, die permanent oder temporär am Meeresboden des Kontinentalschelfs der USA befestigt sind“, erklärt die US-Anwaltskanzlei Seward & Kissel, die auf maritimes Recht spezialisiert ist.

Die Schiffe müssen Amerikanern gehören und in den USA gebaut worden sein

Der 1920 verabschiedete Jones Act ist ein Instrument des amerikanischen Protektionismus. Statt auf Zölle setzt er allerdings auf das Prinzip der Beschränkung: Er schreibt vor, dass der Transport von Gütern zwischen einem US-Hafen und einem anderen Ort in US-Gewässern nur auf Schiffen erfolgen darf, die US-Bürgern gehören und eine Transportlizenz von der US-Küstenwache besitzen. Diese Lizenzen werden nur an Schiffe vergeben, die unter US-Flagge fahren und in den USA gebaut worden sind. Gleiches gilt für den Transport von Personen. Verstöße können hart bestraft werden, etwa mit der Beschlagnahmung der Waren.

Die für die Überwachung des Gesetzes zuständige Behörde für Zoll und Grenzsicherheit hatte bereits in der Vergangenheit den Standpunkt vertreten, dass der Jones Act auch beim Bau von Offshore-Windanlagen für den Transport der Anlagentechnik und der Arbeiter gilt. Betroffen waren davon nur die beiden kleinen Windparks, die bislang in US-Gewässern errichtet wurden: der 2016 ans Netz gegangene Park Block Island vor der Küste von Rhode Island und Coastal Virginia Offshore Wind vor der Küste Virginias, an dem auch der Energiekonzern Ørsted mitwirkt, der dieses Portal finanziert. Bidens Erlass hat nun klargestellt, dass auch jedes weitere der derzeit 16 geplanten Projekte vom Jones Act betroffen sein wird.

Der Jones Act treibt den Aufwand in die Höhe – und damit auch die Kosten

Für den Bau von Offshore-Windanlagen ist eine ganze Flotte von Spezialschiffen erforderlich, darunter sogenannte Wind turbine installation vessels (WTIV). Sie transportieren Komponenten wie Turbinen und Rotorblätter ins Baufeld auf See und haben unter anderem große Kräne an Bord, um die Anlagenteile in Position zu heben. Auf dem europäischen und asiatischen Markt sind diese Schiffe längst im Einsatz. Doch nach Recherchen des amerikanischen Think Tanks Cato Institute entspricht kein einziges der 15 derzeit operierenden Schiffe den Jones-Act-Anforderungen.

Beim Bau von Block Island kam deshalb das Installationsschiff „Brave Tern“ zum Einsatz, das vom norwegischen Unternehmen Fred Olsen Windcarrier betrieben wird. Die „Brave Tern“ blieb vor Ort im Windpark, während US-Schiffe die Anlagenteile vom Hafen zur Baustelle brachten, wo sie dann umgeladen und von der „Brave Tern“ installiert wurden. Statt die Komponenten also mit nur einem Schiff zu transportieren und zu installieren, musste mindestens ein weiteres Schiff gechartert werden, was das Risiko für Schäden und die Kosten des Projekts in die Höhe trieb.

Beim Projekt Coastal Virginia Offshore Wind behalf man sich, indem die unter luxemburgischer Flagge fahrende „Vole au vent“ die Anlagenteile im kanadischen Halifax lud und dann zur Baustelle transportierte. Damit wurde die Fahrt zu einer internationalen Seereise, auf die die Anforderungen des Jones Act nicht zutreffen. Auch hier entstanden Zusatzkosten, weil die „Vole au vent“ nicht alle Anlagenteile auf einmal transportieren konnte und deshalb in einem zeitaufwendigen zweiten Trip von Virginia nach Halifax und wieder zurückfahren musste. Eine teure Extrafahrt: Laut Cato Institute kann die Tagescharter für solche Schiffe schnell 200.000 Dollar überschreiten.

US-Werften stehen in den Startlöchern: Sie wollen vom Wind-Boom profitieren

Damit der Jones Act die Entwicklung von Offshore Wind nicht bremst, treten US-Unternehmen die Flucht nach vorn an: Schon für Block Island baute die kleine Werft Blount Boats 2015 das erste Jones-Act-konforme Transportboot für Arbeiter, ein sogenanntes Crew Transfer Vessel (CTV). Solche Katamarane bringen Arbeiter im Fährbetrieb wenn nötig im täglichen Rhythmus zur Baustelle. Bis heute existieren in den USA drei dieser Boote. Angesichts der zahlreichen Projekte, die derzeit entlang der US-Ostküste geplant sind, stehen Unternehmen wie WindServe Marine für den Bau weiterer Schiffe in den Startlöchern. „Wir warten nur darauf, dass die Industrie loslegt“, sagt Managing Director Josh Diedrich.

Das US-Unternehmen Crowley kündigte Mitte März ein Joint Venture mit dem dänischen Schiffbauer ESVAGT an, um gemeinsam Jones-Act-konforme Serviceschiffe (SOVs) zu bauen. Solche Schiffe dienen zu Wartungsarbeiten in den Parks. Crowley wird Eigentümer und Betreiber der Schiffe, ESVAGT wird bei Design, Bau und Betrieb beraten und an den Umsätzen beteiligt. Schon im Bau ist das erste amerikanische SOV-Schiff beim Betreiber Edison Chouest Offshore (ECO), das Platz für 70 Techniker bietet. ECO hat einen Vertrag über eine Langzeitcharter für den Bau mehrerer Offshore-Windparks abgeschlossen.

Früher Öl, heute Wind: Amerikas Energiewende erreicht den Schiffsbau

Im Dezember 2020 begannen indes die Arbeiten am ersten Jones-Act-konformen WTIV, der teuersten und kompliziertesten Schiffsklasse. Die texanische Werft Keppel Amfels, die auch Schiffe für die Offshore-Öl- und -Gasindustrie liefert, baut für das US-Unternehmen Dominion Energy die „Charybdis“, wie das Schiff heißen soll. Die Ausrüstung übernimmt das norwegische Maritim- und Rüstungsunternehmen Kongsberg. Die „Charybdis“ soll 2023 vom Stapel laufen und wird vermutlich beim Ausbau des Parks Coastal Virginia Offshore Wind zum Einsatz kommen. Mit dem Offshore-Boom vor der US-Küste heißt es wohl auch bald für die amerikanischen Werften: Volle Kraft voraus.

(Für EnergieWinde)