Demokratische Senatoren aus Kohleregionen könnten die Klimapläne des US-Präsidenten bremsen. Doch auch so rollt eine grüne Welle durch die USA. Es sind ehrgeizige Staaten an der Ost- und Westküste, die sie vorantreiben – etwa in der Offshore-Windkraft.
Unter seinem Vorgänger war der Klimawandel eine Frage von Glauben oder Nichtglauben. Joe Biden dagegen hat von Beginn an klargestellt, dass er den Klimawandel als wissenschaftlich erwiesene Tatsache ernst nimmt. Sein heutiger Amtsantritt als 46. Präsident der Vereinigten Staaten ist deshalb auch in der Energiepolitik eine Zäsur. Biden hat angekündigt, dass bereits am ersten Tag seiner Präsidentschaft ein Dekret erlassen werde, damit die USA dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten, das sie unter Donald Trump verlassen hatten. Die Botschaft ist klar: Der Kampf gegen die Klimakrise soll unter Biden höchste Priorität haben.
Biden unterstützt zudem die Ideen des Green New Deal, der eine Abkehr von fossilen Brennstoffen und die Förderung erneuerbarer Energien inklusive der Schaffung neuer Jobs vorsieht. Bis 2050 soll die US-Wirtschaft zu 100 Prozent auf sauberer Energie basieren; die Treibhausgasemissionen sollen bei netto Null liegen.
Um das zu erreichen, soll der US-Kongress nach Bidens Plan noch dieses Jahr Zielwerte definieren, die bis zum Ende seiner ersten Amtszeit erreicht werden sollen. Außerdem sollen die Abgeordneten Gesetze für weitreichende Investments in erneuerbare Energien und in die Forschung verabschieden. Sie sollen zudem Anreize schaffen, um erneuerbare Energien in der Wirtschaft zu etablieren und in Gemeinden zu bringen, die vom Klimawandel schon jetzt besonders betroffen sind. Vorgesehen sind Investments von 1,7 Billionen Dollar innerhalb der kommenden zehn Jahre.
Trump gab den Kohlekumpel. Trotzdem gingen die Meiler reihenweise vom Netz
Der Trend hat sich allerdings schon unter Trump in die Richtung entwickelt, die Biden vorschwebt. Schon in den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Kohlekraftwerke stillgelegt. In diesem Jahr gehen nach Angaben der US-Energiebehörde EIA Kohle- und Kernkraftwerke mit einer Kapazität von zusammen 9,1 Gigawatt vom Netz. Neu angeschlossen werden dagegen allein Windparks mit einer Kapazität von 12,2 Gigawatt und Solaranlagen mit insgesamt 15,4 Gigawatt.
Als einziger Offshore-Windpark in den USA ist seit 2016 Block Island Wind vor Rhode Island am Netz. Anfang dieses Jahres soll das Offshore-Projekt Coastal Virginia Offshore Wind fertiggestellt werden, an dem auch der dänische Energiekonzern Ørsted mitwirkt, der das Portal EnergieWinde finanziert. Das Bureau of Ocean Energy Management BOEM, das den Bau von Offshore-Windparks genehmigt, hat bisher Genehmigungen für 16 Projekte erteilt, die gemeinsam mehr als 21 Gigawatt Strom erzeugen können. Bidens Plan sieht vor, den Offshore-Wind-Sektor bis 2030 zu verdoppeln.
„Die Wahl von Joe Biden zum Präsidenten bringt die Offshore-Windenergie-Industrie an die Schwelle zu substanziellem Wachstum“, verkündete das amerikanische Business Network for Offshore Wind im November. „Es sieht sehr vielversprechend aus für dieses Jahrzehnt“, sagt auch Alastair Dutton vom Weltverband Global Wind Energy Council (GWEC). Neben den projektierten Offshore-Windparks verhandeln viele Bundesstaaten auch über den Bau der Infrastruktur und die Entwicklung von Häfen. Die Industrie wächst und schafft Arbeitsplätze.
Ein Demokrat aus West Virginia könnte zum Zünglein an der Waage werden
Um ihre Offshore-Wind-Ziele zu verwirklichen, muss die Biden-Regierung auf Bundesebene die gesetzlichen Grundlagen schaffen. Neben dem zu erwartenden Widerstand von Lobbyisten der konventionellen Energien könnte Biden auch im US-Senat auf Hindernisse stoßen. Zwar ist den Demokraten bis zu den Midterm-Wahlen 2022 eine hauchdünne Mehrheit sicher. Doch darf sich bei den Abstimmungen niemand enthalten oder auf die Gegenseite schlagen. Die Pläne setzen demokratische Senatoren aus Staaten wie Pennsylvania, Maryland oder Wisconsin unter Druck, in denen einige der größten Kohlekraftwerke der USA betrieben werden. Senator Joe Manchin aus West Virginia gilt als besonders konservativer Demokrat und hat in der Vergangenheit Wahlkampfspenden aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie erhalten. Er könnte bei Abstimmungen zum Zünglein an der Waage werden.
Aber auch die Bundesstaaten können Bidens Pläne fördern oder behindern. Die Regierung in Washington ist zwar für landesweite Zielgrößen und ein Regelgerüst zuständig, aber die Bundesstaaten erteilen die Zuschläge für Energieprojekte. Dass sie dabei unabhängig von Washington agieren, zeigte sich in den vergangenen Monaten an einem interessanten Phänomen: „Wir haben an der Ostküste beobachtet, dass sich die Staaten mit ihren Zielgrößen für Offshore-Wind gegenseitig überboten haben“, sagt Dutton.
Gerade hat die Energiebehörde im Bundesstaat New York die Ausschreibung für die Projekte Empire Wind 2 und Beacon Wind vor der New Yorker Küste den Konzernen Equinor und BP zugeschlagen. Zusätzlich können die Bundesstaaten mit Steuererleichterungen und Investitionsanreizen den Boden für eine neue, grüne Energiewirtschaft bereiten.
Nach der Ostküste rückt Kalifornien in den Blick der Offshore-Wind-Industrie
Was bleibt, sind Umweltfragen. Die nimmt insbesondere das BOEM genau unter die Lupe. Im August 2019 stoppte es das Projekt Vineyard Wind 1 vor der Küste von Massachusetts. Die Behörde forderte eine breiter angelegte Studie zu den Umweltauswirkungen; Ergebnisse sollen in diesen Tagen verkündet werden.
Gibt das BOEM grünes Licht, stehen die Zeichen für Offshore-Wind in den USA sehr gut. Dutton glaubt, dass die Technologie dann auch den Sprung an die Westküste schafft, wo das Wasser so tief ist, dass nur schwimmende Parks (Floating Wind) infrage kommen. Kalifornien, häufig ein Vorreiter in der Klimapolitik, könnte dann den Takt vorgeben. Aber selbst die Golfküste könnte mit der richtigen Technik trotz ihrer Hurrikangefahr für Investoren interessant werden. Wie Windanlagen Taifunen widerstehen können, wird derzeit in Taiwan erforscht.
Will die Biden-Regierung die Kapazitäten aus Offshore-Wind bis 2030 verdoppeln, steht der Branche ein geschäftiges Jahrzehnt bevor. Dann könnte den USA am Ende zum Offshore-Boom nur eines fehlen: genügend Fachkräfte.
(für energiewinde.de)