Ringen um Nordamerika

Statue für Samuel de Champlain (Flickr)
Statue für Samuel de Champlain (Flickr)

Die Franzosen versuchen schon ab 1541, eine Kolonie im heutigen Kanada zu errichten. Erst der Abenteurer Samuel de Champlain kann sie etablieren. »Neufrankreich « wächst – doch auch die Rivalität mit den Briten.

Langsam gleitet das Lilienbanner den Mast hinunter. Samuel de Champlains Albtraum ist wahr geworden: Québec, der von ihm gegründete Hauptort der französischen Kolonie in Nordamerika, ist verloren. Am 22. Juli 1629 hissen Engländer ihre eigene Flagge über dem Handelsposten am Sankt-Lorenz-Strom und beschlagnahmen den wertvollsten Schatz der Franzosen: mehr als 4000 Felle.

Den größten Teil seines Lebens hat Champlain der Kolonisierung Kanadas gewidmet, hat Frankreichs Handelsbeziehungen mit den Indianern begründet. Und jetzt das Aus.

Gut 100 Jahre zuvor hat der französische Entdecker Jacques Cartier die Region für die Krone in Besitz genommen und schon bald begonnen, Felle bei den Einheimischen einzukaufen. 1603 schloss sich Samuel de Champlain einer Expedition in das nun „Neufrankreich“ genannte Gebiet an. Fünf Jahre später gründete er den Handelsposten Québec, stieg zum Leiter der Kolonie auf und knüpfte enge Kontakte zu den Huronen, Algonkin und Montagnais, die ihn mit Fellen belieferten. Überdies sagte er ihnen Beistand gegen ihre Feinde zu, die Irokesen. Und tatsächlich konnten die drei Stämme dank militärischer Hilfe der Franzosen 1609 eine große Schlacht gegen die Irokesen gewinnen.

Doch mit den Engländern, die sich an der Ostküste festgesetzt hatten, wuchs den Franzosen ein neuer Gegner heran. Und als es 1627 in Europa zu einem Krieg zwischen Paris und London kam, trugen beide Seiten ihren Konflikt auch in den Kolonien aus. 1628 blockierten englische Schiffe den Sankt-Lorenz-Strom und schnitten Québec von der Lebensmittelversorgung aus der Heimat ab. Dem Verhungern nahe, musste Champlain am 19. Juli 1629 kapitulieren – und wurde nach Frankreich ausgewiesen.

Aber was er für das Ende hält, ist vielmehr ein Neubeginn. Denn London und Paris haben bereits drei Monate vor seiner Kapitulation ihren Krieg beendet, die englische Übernahme war also illegal. Und so gibt Englands König die besetzten Gebiete an Frankreich zurück.

Champlain segelt erneut in die Kolonie und nimmt die Geschäfte mit den Indianern wieder auf. Doch dann erleidet er einen Schlaganfall und stirbt 1635. Und so erlebt er nicht mehr, wie König Ludwig XIV. Neufrankreich zur Provinz seines Landes erklärt. Französische Entdecker dehnen die Grenzen immer weiter aus und gründen im Südwesten sogar eine neue Kolonie: Louisiana.

Um 1750 erstreckt sich der Besitz der Franzosen in einem 4000 Kilometer umspannenden Bogen von Labrador im äußersten Norden bis zur Golfküste im Süden. Damit trennt ihr Gebiet die englischen Kolonien an der Ostküste vom Hinterland ab und schiebt sich an der Südküste zwischen die Besitzungen Spaniens.

Von Champlain gezeichnete Karte des nordöstlichen Neufrankreichs (Flickr)
Von Champlain gezeichnete Karte des nordöstlichen Neufrankreichs (Flickr)

Ein schmaler Streifen am Ohio River wird sowohl von Paris wie London beansprucht. Frankreich bedrängt nun die dortigen britischen Pioniere – ein Fehler. Denn den inzwischen rund 75 000 französischen Siedlern stehen 1,2 Millionen englische Kolonisten gegenüber. Die Machtverhältnisse sind klar. 1754 kommt es zum Krieg.

Fünf Jahre später erobern die Briten erneut Québec, diesmal endgültig. Um zu verhindern, dass auch Louisiana in die Hände des Gegners fällt, übergibt Frankreich das riesige Gebiet 1762 an Spanien. Doch die Taktik geht nur teilweise auf: Im Jahr darauf erhält London in einem Friedensvertrag allerdings immerhin den östlichen Teil Louisianas zugesprochen. Lediglich das Gebiet zwischen Mississippi und Rocky Mountains bleibt bei Spanien – als Kompensation dafür, dass Madrid seine Besitzung Florida an Großbritannien abtreten muss.

Das einstige Neufrankreich ist nun dreigeteilt, und jeder der drei Teile hat sein eigenes Schicksal: Québec im Norden bleibt britisch und wird später Teil des unabhängigen Staates Kanada. Den Osten Louisianas muss Großbritannien 1783 an die mittlerweile unabhängigen Vereinigten Staaten von Amerika abgeben. West-Louisiana schließlich wechselt binnen weniger Jahre gleich zweimal den Besitzer: Auf Druck des neuen französischen Herrschers Napoleon Bonaparte übergibt Spanien das Territorium 1800 an Frankreich. Paris verkauft es wiederum drei Jahre später an die USA, deren Staatsgebiet sich durch den „Louisiana Purchase“ verdoppelt.

Die französische Vergangenheit in Nordamerika ist aber bis heute noch spürbar, etwa in der Amtssprache der kanadischen Provinz Québec, aber auch in Ortsnamen wie New Orleans, Louisiana – und Lake Champlain.

Einen See, benannt nach dem Vater Neufrankreichs.

(Geo Epoche Nr. 97)