Wie Football Amerikas Sport Nummer eins wurde

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Dramatische Momente, Helme statt Lederhauben, der Super Bowl als Spektakel: Die NFL hat Football seit ihrer Gründung 1920 vom Freizeitspiel zum Milliardengeschäft geformt. Eine Chronik.

Football ist der beliebteste amerikanische Sport, der Super-Bowl-Sonntag gilt als inoffizieller Feiertag. 2019 saßen beim NFL-Finale 98,2 Millionen Amerikaner vor dem Fernseher, ein 30-sekündiger Werbespot in der Halbzeit kostete 5,25 Millionen Dollar.

TV-Sender reißen sich um die Übertragungsrechte, Sponsoren investieren Millionen, Trainer und Spieler verdienen fürstlich. Gleichzeitig hat der Sport mit Skandalen und Nachwuchsmangel zu kämpfen.

Die Entwicklung zum Milliardengeschäft hat die Sportart zu großem Teil der National Football League zu verdanken, die 1920 gegründet wurde:

Im Jahr 1869 spielten Teams der US-Universitäten Rutgers und Princeton das erste Match gegeneinander, eine Mischung aus Fußball und Rugby. Yale-Student Walter Camp gilt als Vater des American Football: Er regte 1880 den „Snap“ an – die Ballübergabe des Centers an den Quarterback zu Beginn jedes Spielzugs – und die Regel, dass jedes Team eine begrenzte Anzahl an Versuchen hat, um den Ball in die gegnerische Hälfte zu bringen.

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Mit ihrer Gründung am 17. September 1920 wollte die Liga Spielpläne, Spielstandards und den Umgang mit Spielern professionalisieren. 1920 hieß sie noch „American Professional Football Association“ APFA und benannte sich zwei Jahre später in „National Football League“ um. Von den 18 Teams der ersten Saison existieren noch zwei: Die Chicago Bears (damals Decatur Staleys) und die Arizona Cardinals (ehemals Chicago Cardinals).

Die Champions wurden anfangs nach errungenen Siegen ermittelt. 1932 musste ein Gleichstand zwischen den Chicago Bears und den Portsmouth Spartans mit einem Entscheidungsspiel aufgelöst werden. Bei den Fans kam das Match so gut an, dass die NFL die Regelung beibehielt. Fortan spielten Teams in zwei Divisionen, die beiden besten traten jährlich zum Endspiel an – das hieß damals aber noch nicht Super Bowl.

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Sorgen um die Gesundheit der Spieler begleiten den Sport seit seinen Anfangstagen, als noch mit Lederhauben und martialischen Taktiken gespielt wurde. 1905 gab es 19 Todesfälle; US-Präsident Theodore Roosevelt drohte, den Sport zu verbieten. Die Helmpflicht besteht seit 1939, heute tragen Spieler Mundschutz und Polster an Schultern, Oberkörper und Oberschenkeln.

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Football nichts ohne die weiten Würfe nach vorne, was seit 1906 erlaubt ist – aber nur einmal pro Spielzug. Seit- und Rückwärtspässe können zu Kontroversen führen wie beim Playoff-Spiel der Buffalo Bills gegen die Tennessee Titans in Nashville im Jahr 2000. Ein umstrittener Pass zur Seite verhalf den Titans zum entscheidenden Touchdown. Der Spielzug ging als „Music City Miracle“ in die Geschichte ein.

Das Finale zwischen den Baltimore Colts und den New York Giants 1958 gilt bis heute als „Greatest Game Ever Played“. Erstmals in der Geschichte der NFL wurde ein Match in der Verlängerung entschieden, die Colts gewannen 23:17. Millionen verfolgten das Spiel am Fernseher, als mitten in der Verlängerung das TV-Signal von NBC ausfiel. Der Sender behob das Problem, als jemand aufs Spielfeld rannte und eine Spielunterbrechung erzwang.

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Seit 1960 wird der Football aus Leder der Gerberei Horween in Chicago hergestellt. Die Brüder Arnold und Ralph Horween wussten aus eigener Spielerfahrung, wie schwer der Ball mit schwitzigen Händen oder bei Nässe zu fassen war. Ralph entwickelte ein Mittel für die Behandlung des Leders und die Noppenprägung. Bis heute ist Horween exklusiver Lieferant des Leders für den NFL-Football. Der Sportartikelhersteller Wilson näht es in seiner Fabrik in Ohio zum „Duke“ zusammen, wie der Ball auch genannt wird.

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Weil die NFL eine Expansion ablehnte, formierte sich in den Sechzigerjahren die American Football League (AFL) mit Teams in Denver, New York City und Los Angeles. NFL und AFL, deren Präsident auf diesem Foto einen „Thanksgiving Snack“ zu sich nimmt, verstiegen sich in Bieterkriege um die besten Spieler, bevor sie 1967 fusionierten. Heute spielen die Champions der American Football Conference (AFC) und der National Football Conference (NFC) im Super Bowl gegeneinander.

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Das Design der „Vince Lombardi Trophy“ kritzelten NFL-Commissioner Pete Rozelle (links) und der Vize-Chef des Juwelierhändlers Tiffany 1966 beim Lunch auf eine Serviette. Sie wurde 1970 nach dem Trainer Vince Lombardi benannt, der sie im ersten Super Bowl mit den Green Bay Packers gewann und vier Jahre später an Krebs starb. Jedes Jahr fertigt Tiffany eine neue Trophäe aus Silber an, die beim Gewinnerteam verbleibt.

In den Siebzigerjahren dominierten die Dallas Cowboys, Miami Dolphins und Pittsburgh Steelers die Liga. Die Miami Dolphins spielten 1972 als erstes und einziges Team eine perfekte Saison, in der sie alle 14 Spiele gewannen und auch in den Playoffs unbesiegt blieben. Sie vergoldeten die Saison mit einem 14:7-Sieg im Super Bowl über die Washington Redskins.

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Bis 1990 traten während der Halbzeit des Super Bowl Marschkapellen auf, danach Popstars. Seitdem Justin Timberlake 2004 die Brust von Janet Jackson entblößte und die NFL sich für „Nipplegate“ entschuldigen musste, wird die Show mit einigen Sekunden Verzögerung ausgestrahlt.

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Jedes Jahr im April verpflichten die Mannschaften die besten Nachwuchsspieler für die kommende Saison. Der Draft geht auf 1936 zurück; die Regeln sehen vor, dass das schlechteste Team der Vorsaison als erstes einen Spieler wählen darf. In sieben Runden trifft jedes der 32 Teams eine Wahl. Oft wurde der Gewinner der Heisman-Trophäe für den besten College-Spieler an erster Stelle gezogen – so wie Jay Berwanger, der 1934 als Erster ausgezeichnet wurde.

Erste Erkenntnisse, dass Gehirnerschütterungen und Gewalteinwirkungen gegen den Kopf Langzeitfolgen wie bei Boxern auslösen, gehen auf Dr. Bennet Omalu (links) zurück. Er untersuchte die Gehirne von NFL-Stars, die vor ihrem Tod Symptome von Vergesslichkeit bis Aggressivität gezeigt hatten. 2007 präsentierte Omalu das Krankheitsbild, heute bekannt als CTE, auf einer NFL-Konferenz. Die Verantwortlichen ignorierten seine Befunde. Erst 2016 räumte ein NFL-Verantwortlicher vor dem US-Kongress eine Verbindung zwischen Gehirnerschütterungen und CTE ein.

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2013 erlebte die Liga ihren größten Skandal, als Aaron Hernandez, Tight End bei den New England Patriots, wegen Mordverdachts festgenommen wurde. Der Star wurde wegen drei Morden in den Jahren 2012 und 2013 angeklagt und in einem Fall schuldig gesprochen. Er beging im Gefängnis Selbstmord, auch bei ihm wurde CTE diagnostiziert. Der Fall war ein PR-Desaster für die NFL, vergleichbar nur mit der Mordanklage gegen O.J. Simpson 1995, der zu diesem Zeitpunkt allerdings kein aktiver Spieler mehr war.

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Auch an den Seitenlinien rumorte es: 2018 verklagte Bailey Davis die New Orleans Saints wegen sexueller Diskriminierung. Das Team hatte Davis gefeuert, nachdem sie ein Foto von sich in einem Spitzenoberteil gepostet hatte. Cheerleaderinnen weiterer Teams gingen mit Vorwürfen unfairer Bezahlung und sexistischer Behandlung an die Öffentlichkeit. Viele Teams verordneten ihren Cheerleadern züchtigere Outfits und besserten beim Lohn nach.

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Aus Sorge um ihre Gesundheit melden immer weniger Eltern ihre Kinder zum Football an. Die NFL fürchtet um Nachwuchs und wirbt mit sicherer Ausrüstung – und dass Football Kampfgeist und Kameradschaft stärke. Derweil hat die Ligaführung eine neue Profitquelle im Auge: Seit 2018 haben 21 US-Bundesstaaten Sportwetten legalisiert. Wetten auf den Ausgang eines Spiels oder einzelne Spielzüge versprechen Millionenerträge. Die NFL hat bereits Verträge mit Wettanbietern geschlossen.

(Spiegel Online)