Euro Immobilienatlas 2013: Der Norden

Wer in den Norden zieht, will in die Innenstadt und nah ans Wasser. Das gilt nicht nur für die Metropolen Hamburg, Bremen und Hannover, sondern auch für kleinere Städte.

HAMBURG Hamburg ist für Immobiliensuchende ein hartes Pflaster. Lange Schlangen bei Besichtigungen und beinharte Konkurrenz — das ist die Realität in der Hansestadt. Preise von 2500 bis 3000 Euro pro Quadratmeter sind in Hamburg längst Normalität. Die Stadt wächst derweil weiter: Bis 2030 wird die Einwohnerzahl noch einmal um mindestens fünf Prozent steigen, prognostiziert die Bertelsmann Stiftung in ihrem „Länderreport Deutschland“.

Und Hamburgs Bürger wollen wohnen. Am liebsten in einem der hübschen Altbauten rund um die Alster, in Uhlenhorst, Winterhude, Eppendorf oder St. Georg. „Eppendorf und Winterhude haben ihren Zenit überschritten, hier haben sich die Preise auf hohem Niveau eingependelt“, sagt Makler Simon Quast vom Maklerbüro Immoteam Hamburg. Große Wertsteigerungen seien dort nicht zu erwarten. Das könnte Privatanlegern einige Chancen eröffnen — wenn sie bereit sind, Quadratmeterpreise von 3600
Euro zu akzeptieren. Auch Trendviertel wie St. Pauli stehen bei Wohnungssuchenden hoch im Kurs. Selbst in der Sternschanze, bekannt für ihr alternatives Flair, ziehen die Preise kräftig an. 2011 kostete Eigentum dort noch 3132 Euro pro Quadratmeter. 2012 lag der Preis bereits knapp 450 Euro höher.

Und doch gibt es sie noch, die vielversprechenden Investments. Dafür muss man allerdings in der Nachbarschaft der Top-Lagen suchen. Wer Quadratmeterpreise von 4200 Euro in Rotherbaum umgehen will, kann sich im Grindelviertel umsehen. Das ehemalige Zentrum der jüdischen Gemeinde Hamburgs beeindruckt mit hübschen Altbauten und hat wegen der Nähe zur Universität junge Bewohner. In Eimsbüttel lockt die Osterstraße mit ihren Geschäften und der lebendigen Kneipenszene — doch
wer sich in Richtung Hoheluft-West orientiert, rückt näher an den Eimsbütteler Park und muss weder auf ein ruhiges Wohnumfeld noch auf eine gute Verkehrsanbindung verzichten.

Ikea als Preistreiber. Ebenfalls schwierig ist der Markt in Ottensen. Die Nachfrage nach Drei- und Vierzimmerwohnungen ist hoch, Schnäppchen sind kaum zu machen. Makler Quast verkaufte 2009 sanierte Wohnungen für 2900 Euro pro Quadratmeter. Auch 2012 brachte er Wohnungen zu diesem Preis auf den Markt — allerdings unsaniert. Ottensen ist beliebt, weil es von der kleinen Boutique bis zur Fußgängerzone alles bietet. Das Wohngefühl ist weniger förmlich als in Rotherbaum oder Eppendorf, aber ruhiger als in St. Pauli. Wer auf die Nähe zu Ottensen nicht verzichten will, kann sich in Bahrenfeld oder Altona-Altstadt umsehen. Dort soll noch in diesem Jahr der erste Innenstadt-Ikea eröffnen. Auch wenn die Errichtung des Möbelhauses unter den Anwohnern stark umstritten ist, sehen Makler in dem Bau an der Großen Bergstraße einen Gewinn für das Viertel. Die Struktur der Einzelhändler in dem Straßenzug wird sich verändern: Internetcafés und die Spielhöllen, die es dort jetzt noch gibt, werden verschwinden zugunsten von Modegeschäften und Cafés, prognostiziert das Immoteam Hamburg. Die Preise für Objekte rund um das künftige Möbelhaus steigen bereits jetzt.

Um Druck aus dem Markt zu nehmen, hat der Hamburger Senat das „Bündnis für das Wohnen“ beschlossen: Jährlich sollen 6000 neue Wohneinheiten entstehen. Denn in ganz Hamburg fehlt Wohnraum. Der Mieterbund schätzt den Mangel auf 40 000 Wohnungen. „Bereits im Jahr 2011 wurden Genehmigungen für rund 6800 Wohneinheiten erteilt. 2012 wurden insgesamt sogar 8731 Wohnungen genehmigt“, teilt die Behörde für Stadtentwicklung mit. In Eimsbüttel werden bis 2014 zwischen Grandweg und Lokstedter Steindamm die „Stadtgärten Lokstedt“ mit über 600 Wohnungen gebaut, die meisten sollen vermietet werden. Die Nachfrage ist hoch, der Quadratmeterpreis liegt bei 13 Euro.

Weil es überall eng wird, richten Investoren ihr Augenmerk mittlerweile auf bisher unterschätzte Viertel: Hamm etwa wurde wegen seiner Arbeitersiedlungen mit den roten Backsteinbauten aus den 50er-Jahren lang verschmäht. Heute ziehen die vergleichsweise niedrigen Mieten junge Leute dorthin. Der Stadtteil punktet mit Grünflächen wie dem Hammer Park und der Nähe zu Wandsbek, wo es gute Shopping Malls gibt.

Wagemutige sehen sich auf der anderen  Elbseite in Wilhelmsburg und Veddel um. Zwar tauchten die beiden Stadtteile erst kürzlich wieder im Sozialmonitor der Stadt Hamburg auf, weil der Anteil an Migranten hoch und das Bildungsniveau niedrig ist. Doch die Stadt hat sich vorgenommen, das Viertel zu fördern, und diverse Förderungsprojekte auf den Weg gebracht. Das hat längst erste Investoren angelockt. Denn die Infrastruktur ist gut, mit S-Bahn, Auto oder Fähre ist man in rund 15 Minuten auf der anderen Elbseite. Das neue Einkaufszentrum Luna Center im Herzen Wilhelmsburgs soll im Juni 2013 eröffnet werden. 2011 kostete der Quadratmeter durchschnittlich 1700 Euro, ein Jahr später knapp 1900 Euro. Tendenz steigend.

Auch in der Hafencity tut sich viel. Am Strandkai sollen auf 8,4 Hektar Fläche 560 Wohnungen entstehen. 430 davon werden bis 2015/16 westlich des Unilever-Hauses direkt an der Spitze des Kais gebaut. Preise haben die Bauträger noch nicht genannt — aber sie werden sich am Hafencity-Niveau von rund 5400 Euro orientieren.

Längst stehen auch Hamburgs Außenbezirke hoch im Kurs. Jürgen Günther vom Maklerbüro Marquardt & Noack beobachtet eine ungebrochen hohe Nachfrage in den Elb-Vororten Blankenese, Groß und Klein Flottbek und Othmarschen. Und es geht noch weiter raus: „Rissen liegt zwar ein bisschen weiter außerhalb, ist aber gut angebunden, hat einen hohen Erholungswert, und es gibt im Vergleich zu Othmarschen keinen Fluglärm“, so der Makler. Selbst in diesen Vierteln wird es schwerer, das Traumobjekt zu finden. „Geheimtipps gibt es in Hamburg schon lange nicht mehr.“

BREMEN Was das Wohngefühl angeht, muss sich Bremen hinter anderen deutschen Großstädten nicht verstecken. Die Lage an der Weser, wirtschaftlich starke Umlandgemeinden und ein gutes Sport- und Kulturangebot ziehen neue Bewohner in die Stadt. Kein Wunder also, dass die Nachfrage nach Wohnraum ungebrochen hoch ist. Für Neubauten liegen die Spitzenmieten bei zwölf Euro pro Quadratmeter. Auch auf dem Markt für Eigentumswohnungen hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Die  Verkaufspreise für selbst genutzte Wohnungen erhöhten sich zwischen 2006 und 2011 im Neubau um rund 25 Prozent. Das geht aus dem Immobilienmarktreport der Wirtschaftsförderung Bremen hervor. Im Altbau stiegen die Preise im gleichen Zeitraum
sogar um bis zu 40 Prozent.

Makler Volker Twachtmann von Mues und Twachtmann glaubt, dass sich die Preise in den kommenden fünf Jahren weiter nach oben schrauben. „In einzelnen Teilmärkten wie Findorff oder Schwachhausen erleben wir bereits erhebliche Preissteigerungen. Auch für Neubauten auf dem Stadtwerder oder in der Überseestadt werden Preise verlangt, die wir vor zwei Jahren in Bremen noch nicht kannten.“ Für barrierefrei gebaute Wohnungen in Citynähe mit Wasserblick und hochwertiger Ausstattung liegen die Preise derzeit zwischen 3000 und 4000 Euro pro Quadratmeter — das sind Größenordnungen, die man sonst nur aus den  Metropolen Hamburg oder München kennt.

Twachtmann beobachtet, dass hier vermehrt ältere Käufer auftreten. „Sie verkaufen ihr Einfamilienhaus im Grünen und wollen in die Stadt zurück, wo eine gute Infrastruktur gewährleistet ist.“ Die frei werdenden Häuser gehen derweil an junge Familien, die sich die hohen Preise im Stadtkern von Bremen nicht leisten können. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren wohl noch verstärken.

Käufer mit mittlerem oder niedrigem Budget müssen in Bremen länger suchen. Singles oder junge Paare können noch in Teilen der Neustadt oder in Walle fündig werden. Aber gerade in den stadtnahen Lagen sind wenige Immobilien auf dem Markt. Steht doch einmal ein Objekt zum Verkauf, liefern sich die Interessenten Bietergefechte. Im beliebten Findorff müssen Käufer eines Reihenhauses bis zu 300 000 Euro aufbringen. Selbst bisher eher schwer verkäufliche Immobilien in Stadtteilen wie dem
Buntentor-Viertel, einem Teil der Neustadt, gelten mittlerweile als hip. In Bezirken wie Walle, vor zwei Jahren noch als B-Lagen angesehen, sind Wohnungen in weniger als vier Wochen verkauft.

Ausweichmanöver. „Zum Stadtrand hin gibt es ein deutliches Preisgefälle, obwohl Viertel wie Gröpelingen nur wenige Kilometer vom Bremer Roland entfernt sind“, so Twachtmann. Auch Bremer Umlandgemeinden wie Stuhr, die mit Bus und Bahn gut erreichbar sind, rücken ins Blickfeld der Kaufinteressenten.

Der Wohnungsbau ist stark von den 60er und 70er-Jahren geprägt, als die Gemeinden starken Zulauf erlebten. Diese Immobilien sind meist etwas günstiger zu haben, weil sie nicht den aktuellsten Energiestandards entsprechen. In Citynähe bleibt Baugrund hingegen genauso knapp wie mittelgroße Wohnungen.

Wer dort noch etwas findet, sollte zuschlagen. Das Angebot wird sich in diesem Bereich weiter verknappen — eine Trendumkehr ist nicht in Sicht.

HANNOVER Hannover ist die Stadt mit dem gewissen Nichts“, lästerte Entertainer Harald Schmidt einst über Niedersachsens Landeshauptstadt. Kaufinteressenten können solche Witze getrost ignorieren. Denn Hannovers Immobilienmarkt hat einiges zu bieten. Aktuelle Daten des Beratungsunternehmens Empirica zeigen zwischen 2007 und 2011 einen Mietpreisanstieg von 5,80 Euro auf 6,19 Euro pro Quadratmeter, in Top-Lagen sind die Mieten um rund 20 Prozent nach oben geklettert. „Derzeit gibt es mehr Käufer als Verkäufer. Besonders in stadtnahen Lagen sind die Kaufobjekte knapp“, sagt Insa Sophia Cornelius vom Maklerbüro Dahler Company. Die Leerstandsquote ist seit 2007 von 9,6 auf 8,2 Prozent im Jahr 2011 gesunken. Objekte in Top-Lagen versprechen hübsche Renditen.

„Zu den gefragtesten und teuersten Vierteln in Hannover zählen Waldheim, das Zooviertel, Kleefeld, Kirchrode sowie Herrenhausen“, so Cornelius. In Kirchrode, rund sechs Kilometer vom Maschsee entfernt, werden Neubauten für 3000 Euro pro Quadratmeter angeboten. Objekte im Bestand liegen preislich deutlich tiefer, bei rund 1800 Euro pro Quadratmeter.

Die Aufsteiger der Messestadt heißen Linden und Nordstadt. Linden gilt als quirlig bis alternativ, das hielt die Preise lang auf niedrigem Niveau. Mittlerweile bewegen sie sich für Altbauten zwischen 1100 und 1500 Euro pro Quadratmeter. „Hier wurde viel saniert. Es gibt tolle Lagen an der Leine und rund um den Lichtenbergplatz“, sagt die Maklerin. Auch die Nordstadt galt bisher als günstig, da hier viele Migranten wohnen. Doch es wird eifrig saniert, und die Preise klettern. Junge Familien und Durchschnittsverdiener zieht es deswegen nach List und in die Oststadt. „Wegen des niedrigen Zinsniveaus sind auch stadtnahe Neubauvorhaben bei Anlegern und Selbstnutzern stark gefragt“, sagt Cornelius.

In Hannover-Wettbergen entsteht der „zero:e Park“, der die größte Null-Emissions-Siedlung in Europa werden soll. Grundstücke werden für 200 Euro pro Quadratmeter verkauft. Bis 2018 sollen 300 Einfamilien- und Doppelhäuser in Passivhausbauweise fertiggestellt sein. An die City ist die Siedlung per Bus angebunden, zum Verkauf stehen Grundstücke mit einer Größe von 120 bis 500 Quadratmetern.

Ob Wohnen im Grünen oder direkt im Stadtkern: In Hannover tut sich was, Makler prognostizieren eine stabile Nachfrage nach Mietwohnungen und Kaufobjekten. Die Kaufpreise sind den Mieten noch nicht ganz nachgezogen. Wer kaufen will, sollte jetzt zugreifen.

KIEL Deutschlands nördlichste Großstadt überarbeitet gerade ihr Wohnungsbaukonzept aus dem Jahr 2007. Der Grund: „In stark nachgefragten Gegenden werden Altbauten zu den gleichen Preisen gehandelt wie Neubauobjekte mit eigenem Garten in den Randlagen“, sagt Makler Jürgen Stöben von Otto Stöben Immobilien. „Hier trennt sich derzeit kaum jemand von seiner Immobilie, wenn er nicht etwas Bestimmtes mit dem Geld vorhat.“

Deshalb setzt die Stadt auf Neubau. Auf dem Gelände der Alten Feuerwache in der Kieler Altstadt werden bis 2014 sechs Stadthäuser, 60 Eigentumswohnungen und 40 Studentenapartments errichtet. Gleich nebenan in der Vorstadt entsteht an Bäckergang und Walkerdamm ein Quartier in barrierefreier Bauweise mit Wohnungsgrößen von 45 bis 135 Quadratmetern. Die Kosten liegen bei 3600 bis 4000 Euro pro Quadratmeter. Die Lage treibt den Preis: Ans Wasser und zum Hauptbahnhof sind es  zu Fuß nur zehn Minuten. Der Bauträger „Kieler Stadthaus“ verzeichnet eine hohe Nachfrage seitens älterer Bürger, die ins Stadtzentrum ziehen.

Viele Kieler weichen ins Grüne aus: Düsternbrook bleibt mit seinen Villen und der Nähe zum Schlossgarten hochpreisig. Günstiger lebt es sich in den Altbauten im Stadtteil Blücherplatz. In Ravensberg, das noch vor 20 Jahren wegen des Geruchs aus der alten Lederfabrik als Stinkeviertel gebrandmarkt wurde, ziehen Universität und Uniklinik neue Bewohner an. Studenten wohnen neben ihren Professoren, weil das Viertel von der Kita bis zur Kneipe alles bietet. Um der Nachfrage gerecht zu werden, entstehen an der Schauenburgstraße 26 Stadthäuser und 35 Eigentumswohnungen. Die Preise: bis zu 3500 Euro pro Quadratmeter. „Wer günstigeren Wohnraum sucht, muss auch in Kiel auf die Randlagen nach Suchsdorf oder Holtenau ausweichen“, sagt Makler Stöben.

erschienen in €uro 05/2012