Mythos Mietpreisbremse

Wohnhaus in der Sternschanze, Hamburg (Quelle: https://www.flickr.com/photos/kassettenkind/)
Wohnhaus in der Sternschanze, Hamburg (Quelle: https://www.flickr.com/photos/kassettenkind/)

Das Gesetz sorgt mit Ausnahmen und Rechtsunsicherheiten für Verwirrung. Wann und wie gilt die Bremse? Ein Blick auf die Fakten.

Bonbon für Mieter: Am 27. März billigte der Bundesrat die Mietpreisbremse, mit welcher der Markt in Lagen, in denen die Situation angespannt ist, ab Mitte des Jahres reguliert werden soll. Mit Wohnungen solle nicht spekuliert werden, mahnt Bundesjustizminister Heiko Maas.

Sein Ministerium arbeitete zusammen mit Sachverständigen aus Mieter- und Eigentümerverbänden, Vertretern der Immobilienwirtschaft und Rechtsexperten den Gesetzentwurf aus. Um den verschiedenen Interessen gerecht zu werden, hat die Regierung einige Ausnahmen definiert, die jetzt Mieter wie Vermieter ins Grübeln bringen. Generell gilt: Dort, wo die Mietpreisbremse wirksam wird, dürfen die Mieten in neu abgeschlossenen Verträgen maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Bundesländer entscheiden selbst, in welchen Städten sie die Preise deckeln wollen.

Neubauten sind generell frei
Die dafür notwendigen Erlasse gelten für fünf Jahre. Offiziell will der Bund die Marktregulierung danach auslaufen lassen. Dann – so das Kalkül – wird sich die Lage auf den betroffenen Märkten dank neu gebauter Wohnungen entspannt haben.

Denn um neue Bauvorhaben nicht abzuwürgen, gilt für Neubauten eine Ausnahme. Im Gesetzestext heißt es, die Mietpreisbremse „ist nicht anzuwenden auf eine Wohnung, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wird“. Die Logik dahinter: Weil Bauen aufgrund ständig steigender Standards wie Energieeffizienz immer teurer wird, können neu errichtete Wohnungen nicht mehr billiger angeboten werden. „Anders als oft behauptet, sind Neubauten nicht nur bei der Erstvermietung von der Mietpreisbremse befreit, sondern auch im Anschluss“, sagt Hans-Joachim Beck. Der ehemalige Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg und Rechtsexperte des Immobilienverbands IVD ist einer der Sachverständigen, die das Justizministerium beraten haben.

Sanierung ist nicht Sanierung
Wird eine umfassend modernisierte Wohnung zum ersten Mal vermietet, ist sie ebenfalls von der Mietpreisbremse befreit. Damit eine Wohnung als umfassend modernisiert gilt, müssen mehrere Bereiche saniert worden sein, etwa sanitäre Anlagen, Heizung, Fußböden, elektrische Leitungen, Fenster und Außenwände. Die Kosten müssen rund ein Drittel dessen betragen, was in einem vergleichbaren Neubau angefallen wäre. Die Sanierung kann länger zurückliegen: „Wer vor zehn Jahren eine Wohnung gekauft und zur Eigennutzung aufwendig saniert hat, jetzt aber vermieten will, kann die Miete bei der Erstvermietung frei vereinbaren“, so Beck. Die Mietpreisbremse gilt erst bei Folgevermietungen.

Anders verhält es sich bei kleineren Modernisierungen, die den Wohnwert zwar verbessern, deren Kosten aber die Drittelgrenze unterschreiten. Der Aufwand für den Einbau neuer Fenster oder den Anbau eines Balkons darf zu elf Prozent auf die Miete aufgeschlagen werden. Vermieter können sie geltend machen, wenn die Modernisierung nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Beck rechnet vor, dass die Miete in diesen Fällen gemäß Mietpreisbremse zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, zuzüglich der elfprozentigen Erhöhung. „Die Miete genießt danach Bestandsschutz“, so Beck.

Möblierte Vermietung nutzt nichts
Das Gesetz nennt „Wohnraum zum vorübergehenden Gebrauch, möblierten Wohnraum in der Wohnung des Vermieters und spezielle soziale Angebote für Personen mit dringendem Wohnbedarf“ als Ausnahmen. Sofort wurden Mahnungen laut, möbliertes Wohnen und Ferienwohnungen könnten zum Schlupfloch werden. Bei näherem Hinsehen ist das aber nicht so einfach: Eine Meldepflicht für Ferienwohnungen soll sicherstellen, dass Wohnraum nicht in Ferienwohnungen umgewidmet und so dem Markt entzogen wird. Berlin hat die entsprechende Verordnung im Mai 2014 eingeführt. Experten erwarten, dass viele Städte nachziehen.

Ausgenommen von der Mietpreisbremse sind Untermietverträge für möblierte Räume in der vom Vermieter selbst genutzten Wohnung. Außerdem gilt sie nicht bei der Vermietung auf Zeit. Dafür müssen die Räume nur vorübergehend vermietet werden. Die Befristung muss sich also aus dem Zweck der Vermietung ergeben. Nutzer dieser Wohnungen sind meist Mitarbeiter, die von ihrer Firma in eine andere Stadt versetzt werden oder für ein Projekt vorübergehend dort arbeiten. „Es muss also zum Beispiel heißen, dass die Wohnung für sechs Monate vermietet wird, bis der Mieter die Montagearbeiten seiner Firma abgeschlossen oder für sich und die Familie eine größere Wohnung gefunden hat“, erklärt Beck.

Im Gesetz gibt es allerdings Fälle, für die der Bestandsschutz gilt. Hat der Mieter im Vertrag eingewilligt, zu einem Preis wohnen zu wollen, der den Vorgaben der Mietpreisbremse entspricht, genießt die festgelegte Miete Bestandsschutz – selbst wenn er wenige Monate danach auszieht. „Dass die Vormiete bereits ein Jahr gelten muss, ist ein großer Irrtum“, sagt Beck. Diese Regelung gilt laut Gesetz nur, wenn die Miete nachträglich erhöht wird.

Mietspiegel bleibt ein Knackpunkt
Forscher vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) haben 2014 am Beispiel von Berlin und Köln untersucht, wie gut der Mietspiegel den tatsächlichen Markt abbildet. Sie verglichen die Mieten aus Inseraten mit dem Mietspiegel. „In Berlin fallen rund 60 Prozent aller Angebote unter die Mietpreisbremse, in Köln sind es 43 Prozent“, schreiben die Autoren. In Berlin seien vor allem gute Lagen betroffen, in Köln eher einfache.

Köln verwendet einen einfachen Mietspiegel, Berlin nutzt einen qualifizierten. Dieser wird laut Definition nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt – genau die wurden dem Berliner Datensatz 2013 aber abgesprochen. Der Dortmunder Volkswirt und Statistiker Walter Krämer bemängelte in einem Mieterhöhungsverfahren in Berlin-Charlottenburg die Auswertung der Daten. Viele Gemeinden haben weniger Aufwand betrieben als Berlin. Experten fürchten, dass unzählige Mietspiegel falsch sind und zu Rechtsstreitigkeiten führen. „Es muss eine vernünftige Datenbasis erhoben werden, um Rechtssicherheit zu schaffen“, so Beck. Der Aufwand wäre mit dem für den Zensus 2011 vergleichbar und könnte Jahre dauern.

Experten glauben, dass die Mietpreisbremse zu einer Zunahme der Verkäufe an Eigennutzer führt. „Schließlich ist der Verkaufspreis unreguliert“, so die Forscher vom IW. Was geschieht, wenn Wohnungen auf den Markt geworfen werden, um der Regulierung zu entgehen, konnte man rückblickend in europäischen Ländern wie Spanien beobachten: Die Schulden privater Haushalte stiegen – die Quittung gab es während der Finanzkrise.

 

(erschienen in €uro am Sonntag 15/2015)