Londons liebste Hassfigur

Barclays-Chef Bob Diamond ist die Reizfigur in Londons City. Während der Krise rief er die Banker auf, die Zeit der Demut zu beenden. Sein satter Bonus brachte Aktionäre auf die Barrikaden. Doch erst die Libor-Affäre warf Diamond aus der Bahn – und kostete ihn den Job.

Es ist dieses Foto, das sein Selbstverständnis perfekt widerspiegelt: Bob Diamond sitzt im samtbezogenen Ohrensessel, den Arm lässig auf die Lehne gestützt. Fönfrisur, Lächeln und Designeranzug sitzen. Die selbstbewusste, repräsentable Geste seiner Hände symbolisiert: „who cares?“

Es gibt kaum einen Banker in der Londoner City, der so unbeliebt ist wie der Mann, der bis Dienstag Barclays-Chef war. Die Nachricht seines Rücktritts wurde in London mit Begeisterung aufgenommen. Das Kurzmitteilungs-Netzwerk Twitter war voll des Spottes. Ein User hofft, dass Diamond in Wimbledon mit Handschellen ans Netz gebunden wird und Tennisbälle auf ihn abgefeuert werden, ein anderer wünscht sich Josef Ackermann als Nachfolger. Diamond folgt dem Verwaltungsratschef Marcus Agius, der bereits am Montag seinen Rückzug angekündigt hatte. Beide Topbanker mussten ihre Posten räumen, nachdem bekannt wurde, dass Barclays gemeinsam mit 19 anderen Banken den Interbankenzinssatz Libor manipuliert haben soll. Barclays war wegen des Vorfalls vergangene Woche zu einer Strafe von fast einer halben Milliarde Dollar verdonnert worden.

Acht Jahre kämpft er um die Top-Position

Diamonds‘ Abgang ist eine Genugtuung für seine Gegner – und davon gibt es viele. Die „Times“ nannte ihn den „meistgehassten Banker der City“. Diamond war in seiner Zeit bei Barclays immer für einen Aufreger zu haben. Denn Demut ist seine Sache nicht. Nur wenige Jahre nach der schlimmsten Finanzkrise in der Nachkriegsgeschichte erklärte der Chef der britischen Großbank selbstbewusst, für die Banker müsse die Zeit der Entschuldigungen vorbei sein. „Die Banken müssen wieder bereit sein, Risiken auf sich zu nehmen, um Jobs zu schaffen“, sagte Diamond im Januar 2011 in einem Parlamentsausschuss. Doch jetzt ist sie schlagartig wieder da, die Zeit der Entschuldigungen: „Niemandem tut dies mehr leid als mir und niemand ist enttäuschter und wütender darüber als ich“, räumte Diamond am Montag in einem Brief an die Mitarbeiter ein. Die devoten Töne dürften nicht von ungefähr kommen: Das Parlament befasst sich mit Barclays und der Zinsaffäre. Diamonds Rücktritt dürfte da für die Bank kein Nachteil sein.

Erst im vergangenen Jahr krönte der verheiratete Vater dreier Kinder seine jahrzehntelange Karriere mit dem Aufstieg an die Spitze der 322 Jahre alten britischen Traditionsbank. Acht Jahre zuvor war er im Kampf um die Top-Position noch unterlegen. Diamond gab nicht auf und wartete als Chef des Kapitalmarktgeschäfts auf seine Chance. Unter seiner Ägide wurde Barclays Capital zur Ertragsperle des Finanzriesen. 2008 gelang ihm sein Meisterstück, als er den Kauf des US-Geschäfts der Pleite-Bank Lehman Brothers einfädelte. Damit schloss Barclays – zuvor vor allem stark im Anleihegeschäft – im Investmentbanking zu Größen wie Goldman Sachs auf.

Jahreseinkommen von 17 Mio. Euro

Der Sohn eines Lehrer-Ehepaars aus dem US-Bundesstaat Massachusetts startete seine berufliche Laufbahn als Dozent an der Universität von Connecticut. Er begann sich für Anleihehandel zu begeistern und ging für 13 Jahre zur US-Bank Morgan Stanley. Es folgten weitere vier Jahre bei Credit Suisse First Boston. 1996 folgte der Wechsel zu Barclays, wo Diamond systematisch die Karriereleiter nach oben kletterte. „Bob steuert ein außerordentlich ehrgeiziges und aggressives Team, daher ist die Investmentbanksparte auch so erfolgreich gewesen in den ersten zehn Jahren dieses Jahrhunderts“, sagt der frühere Barclays-Chef Martin Taylor. „Wenn die Mitarbeiter dazu gedrängt werden, ihre Limits voll auszunutzen, dann wissen wir alle, wie Händler so sind: Sie gehen gelegentlich darüber hinaus.“

Diamond gehört mit einem Jahreseinkommen von 17 Mio. Pfund (21 Mio. Euro) zu den bestbezahlten Bankern Europas. Seine hohen Boni haben ihn in Großbritannien wiederholt ins Kreuzfeuer der Kritik gebracht. 2010 bezeichnete ihn der damalige Minister der Labour-Regierung, Peter Mandelson, einmal als das „unerträgliche Gesicht der Bankenbranche“.

Vor acht Monaten beschwor Diamond in einer öffentlichen Rede, dass er die Verantwortung der Bank für die Gesellschaft als Priorität seiner Arbeit betrachte. „Ob ich das vor fünf Jahren schon so gesehen hätte? Das bezweifele ich.“ Zum Zeitpunkt seiner Rede war es fünf Jahre ist her, dass die Händler seines Instituts mit falschen Angaben den Libor manipulierten.