Wenn Autoren die Verfilmungen ihrer Romane hassen

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(Flickr)

Der Kino-Welterfolg „Das Boot“ machte Romanautor Lothar-Günther Buchheim kreuzunglücklich. Andere Schriftsteller reagierten ähnlich entsetzt auf Verfilmungen ihrer Werke, von „Mary Poppins“ bis „Forrest Gump“.

Bis ins Detail hatten die Ingenieure des Bavaria-Filmstudios das U-Boot U 96 nachgebaut. Jede Schraube, jedes Rädchen, jeder Bolzen in der Kulisse sollte echt wirken. Um Angriffe nachzustellen, ließ ein Gerüst sich um 45 Grad neigen und schütteln. Die Schauspieler trainierten wochenlang schnelle und effektive Bewegungen in engen Gängen. Sie mieden Sonne, um die authentische Blässe von U-Boot-Männern zu bekommen.

Bei der Verfilmung des Romans „Das Boot“ von Lothar-Günther Buchheim wählte das Team die Drehorte ebenso sorgfältig aus. Szenen unter Wasser und auf der Brückenwache entstanden in einem Bassin, die Außenaufnahmen am Originalschauplatz: den Wassergaragen für U-Boote im französischen Hafen La Pallice.

„Die Sequenz, die in diesen Schutzhöhlen für die U-Boote spielt, ist grandios gelungen“, schrieb Buchheim nach dem Kinostart 1981 im Magazin „Geo“. „Wenn ich die Bunkersequenz sehe, bin ich wieder der junge Leutnant, der mit dem Kommandanten und dem Leitenden Ingenieur im düsteren Mammutbau die Reihe der Bassins abschreitet.“

Autoren auf dem Kriegspfad

Doch so detailversessen Regisseur Wolfgang Petersen am Set und bei den Drehorten war, so frei interpretierte er nach Ansicht des Schriftstellers den Originalstoff. Buchheim: „Ich lief tief deprimiert herum, weil sich das, was ich sah, so gar nicht mit meinen Vorstellungen von diesem Film deckte.“

So ging es beileibe nicht nur ihm. Wenn Bücher zu Bestsellern werden, sind Hollywood-Produzenten rasch zur Stelle. Im Idealfall haben alle etwas davon: Die Filmfirma darf auf einen Kassenschlager hoffen, der Regisseur erhält eine grandiose Vorlage, der Schriftsteller ein Echo und Interesse, das er mit Büchern allein kaum je erzielen könnte. Aber in der Kinowelt gelten andere Gesetze als in der Literatur. Oft ist die Enttäuschung von Autoren über Verfilmungen groß – mit tränenreichen oder juristischen Folgen.

Lothar-Günther Buchheim veröffentlichte „Das Boot“ 1973. Der enorm erfolgreiche Roman, übersetzt in 18 Sprachen, fußte auf Erinnerungen und Notizen aus dem Zweiten Weltkrieg, als Buchheim Kriegsberichterstatter war, auf einigen U-Booten zur See fuhr und den U-Boot-Krieg hautnah miterlebte.

Er schildert eine mehrwöchige Feindfahrt im Atlantik: Die Männer müssen endlose Langeweile aushalten, Probealarme in großer Tiefe absolvieren („Das muss das Boot abkönnen“, so der Kapitän), dann Stürme, Flugzeug- und Unterwasserangriffe überstehen. Das beschädigte U-Boot sinkt auf Grund und droht durch den Wasserdruck zu bersten. Erst nach fiebrigen, verzweifelten Reparaturen kann es seine Reise fortsetzen und schleppt sich zurück nach La Rochelle. Dort wird U 96 im Hafen bei einem Flugzeugangriff zerstört, viele Besatzungsmitglieder sterben.

Buchheim war bewusst, dass die Verfilmung entscheidende Bilder zum U-Boot-Krieg im Zweiten Weltkrieg liefern würde. „Kann dieser Film, wenn er die Kinogänger die Hölle in der Tiefe nacherleben läßt, sie zu Verächtern des Krieges machen – oder fasziniert er sie gar?“, fragte er in „Geo“. Tatsächlich löste der Kino-Welterfolg 1981 eine Debatte aus, ob „Das Boot“ als Kriegs- oder Antikriegsfilm zu verstehen sei. Für den Autor war er zu einem typisch amerikanischen Action-Spektakel verkommen.

„Das ist nicht mehr ‚mein‘ Film“

Tatsächlich sollte die Verfilmung zunächst US-Regisseur John Sturges übernehmen, mit Robert Redford als Kapitän. Buchheim jedoch widersprach heftig einer Drehbuch-Szene, in der Besatzungsmitglieder in einem Rettungsboot amerikanische Soldaten umbringen – die Zusammenarbeit scheiterte.

Für Regisseur Petersen lag die Latte noch höher: Amerikanern hätte man Ungenauigkeiten eher durchgehen lassen; eine deutsche Produktion indes musste in Buchheims Augen detailgetreu sein, von der Kulisse bis zum Erzählfaden und den Schauspielern. Den Kapitän spielte Jürgen Prochnow, die meisten Rollen übernahmen noch wenig bekannte Charakterköpfe wie Martin Semmelrogge, Uwe Ochsenknecht, Herbert Grönemeyer oder Heinz Hoenig.

Den Autor störte besonders, dass Petersen für Leinwandeffekte von der Romanvorlage abwich. So wurde im Buch ein kleines Leck zur Lebensbedrohung; Petersen ließ ganze Wassermassen in das Boot einbrechen. Und während die Mannschaft im Roman selbst nach dem feindlichen Treffer Disziplin wahrt, rennt sie im Film nach Auffassung des Autors viel zu aufgeregt und kopflos herum: „Solche Irrsinnsblicke wie die Schauspieler durfte sich keiner von uns erlauben. Wir waren eben keine Schauspieler, sondern Soldaten.“

Beim Publikum zog der Film. Mit knapp 30 Millionen Mark Produktionskosten war „Das Boot“ die bis dato teuerste deutsche Produktion und wurde für sechs Oscars nominiert. Buchheim aber erkannte seinen Stoff nicht wieder: „Er ist nicht mehr ‚mein‘ Film, obwohl das überall behauptet wird.“

Viele weitere Autoren stellten sich Verfilmungen ihrer Bücher ebenfalls völlig anders vor. So konnte sich Schriftsteller J.D. Salinger nie wieder zum Verkauf von Filmrechten überwinden, nachdem aus seiner Kurzgeschichte „Onkel Wackelpeter in Connecticut“ der Film „My Foolish Heart“ geworden war. Stephen King hält bis heute wenig von Stanley Kubricks „The Shining“. Und „Forrest Gump“ fand Millionen Fans – Autor Winston Groom zählt nicht dazu.

Von der unendlichen zur unsäglichen Geschichte

Regisseur Wolfgang Petersen traf es besonders heftig. Schon drei Jahre nach „Das Boot“ bekam er abermals Ärger mit einem deutschen Schriftsteller. Über die Verfilmung von „Die unendliche Geschichte“ zürnte Kinderbuchautor Michael Ende in einer Pressekonferenz: „Alles, was geheimnisvoll und magisch hätte sein müssen, ist total platt und banal geworden.“ Die unendliche sei jetzt eine „unsägliche Geschichte“.

Dem Produzentenduo Bernd Eichinger und Dieter Geissler warf Ende Täuschung vor und wünschte ihnen die Pest an den Hals. Über den Regisseur sagte er: „Was der mit mir gemacht hat, ist menschliche Gemeinheit, ist künstlerischer Verrat.“ Petersens Werk habe die Grundidee des Buches nicht ins Medium Film übersetzt, erklärte Ende später und konnte sich bis zu seinem Tod 1995 nie mit der Verfilmung versöhnen.

Ähnlich ging es P. L. Travers mit ihrem Roman „Mary Poppins“. Der Film von 1964 über die Nanny mit dem magischen Regenschirm hat längst Klassikerstatus. Doch Travers weinte nach eigener Aussage während der gesamten Premiere.

Walt Disney, durch seine Tochter auf das Buch aufmerksam geworden, hatte die skeptische Schriftstellerin gut ein Jahrzehnt lang bearbeitet, bis sie der Verfilmung zustimmte. Schon im Zuge der Produktion meldete sich Travers mit zahlreichen Einsprüchen. Sie sah zwar Hauptdarstellerin Julie Andrews als fähige Schauspielerin, doch die Regieanweisungen für die Mary-Poppins-Rolle gingen ihr gehörig gegen den Strich – die Verwandlung in ein schönes Mädchen werde ihrem Charakter und der Idee des Buches nicht gerecht. Der Film habe viel Fantasie, aber keinerlei Magie, kritisierte später die gebürtige Australierin, die in Großbritannien lebte.

Disney lud sie nicht einmal zur Uraufführung. Die Autorin schaffte es trotzdem in die Premiere. Für sie ein Horror. Beim Rechteverkauf hatte sie darauf bestanden, dass der Film kein Cartoon sein sollte – und war entsetzt über animierte Szenen darin. Obwohl sie dank schlau verhandelter Rechte viel Geld damit verdiente, bereute Travers ihre Entscheidung zutiefst und wandte sich von der Traumfabrik ab. Einer Theaterfassung stimmte sie nur unter der Bedingung zu, dass kein Amerikaner an der Produktion mitarbeite.

Auch J.D. Salinger, berühmt seit „Der Fänger im Roggen“ (1951) und sehr zurückgezogen lebend, verwand seine Enttäuschung über „My Foolish Heart“ nicht. Die Konsequenzen legte er 1967 im Brief an einen dänischen Produzenten dar: „Das einzige Theater, für das ich schreiben möchte, ist das kleine, wunderbare im Kopf jedes einzelnen Lesers.“

(einestages, Spiegel Online)