Das Gefängnis, aus dem noch keiner ausbrach

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Serienmörder, Boston-Attentäter, 9/11-Verschwörer: Sie alle sitzen im „Alcatraz der Rocky Mountains“. Einblicke in den härtesten Knast der USA.

„Schließen Sie die Vergangenheit auf und erleben Sie die bunte Geschichte des Gefängnislebens“, wirbt das Gefängnismuseum in Cañon City, Colorado. In einem stillgelegten Frauenknast können Besucher dem Gefängnisalltag nachspüren und eine Gaskammer besichtigen, in der früher Hinrichtungen vollzogen wurden. Im Souvenirshop kann man sich mit Büchern zum Thema eindecken: Memoiren von Gefängnisleitern und Erzählungen über den blutigen Knastaufstand von 1929 – oder gleich selbst gestreifte Insassenkleidung kaufen.

Cañon City ist das Zentrum des Bezirks Fremont im US-Bundesstaat Colorado. Die 47.500 Einwohner starke Gemeinde beherbergt 13 Staats- und Bundesgefängnisse mit insgesamt 7600 Insassen. Prison Valley wird die Gegend genannt, Gefängnistal. Hier bestimmt der Strafvollzug das Leben: Viele Leute arbeiten im Gefängnis. Es gibt das Uniformgeschäft Dresscode, Übernachtungsmöglichkeiten für die Angehörigen der Insassen. Gefangene fertigen die Nummernschilder des Bundesstaates.

Berüchtigt ist die Gemeinde besonders wegen einer Anstalt: Das ADX Florence ist das am besten gesicherte Bundesgefängnis der USA, es wird auch das „Alcatraz der Rocky Mountains“ genannt. Hier sitzen Schwerverbrecher ein, die „keinerlei Respekt gegenüber menschlichem Leben zeigen“, wie Norman Carlson sagt, ehemaliger Direktor der Gefängnisbehörde Bureau of Prisons (BOP).

Kein Blick auf die Umgebung

Dazu gehören Terroristen wie der 9/11-Verschwörer Zacarias Moussaoui, Oklahoma-City-Bomber Terry Nichols, „Unabomber“ Ted Kaczynski und der Boston-Attentäter Dschochar Zarnajew. Auch Barry Mills, Gründer der Gefängnisgang Aryan Brotherhood, FBI-Doppelagent Robert Hanssen und Serienkiller-Arzt Michael Swango sitzen dort ein. Die meisten Insassen sind Gewaltverbrecher, die als potenzielle Ausbrecher gelten oder in anderen Gefängnissen Insassen oder Personal getötet haben.

Sie alle haben bei ihrer Ankunft in Florence einen flüchtigen, atemberaubenden Blick auf die Rocky Mountains – es ist das letzte Mal, dass sie die Berge sehen. Der Komplex ist teilweise unterirdisch angelegt und von so hohen Mauern umgeben, dass den Gefangenen jeder Blick auf ihre Umgebung verwehrt bleibt. Das soll die Orientierung erschweren und dadurch helfen, Fluchtversuche zu unterbinden. Seit der Inbetriebnahme 1994 hat es keinen Ausbruch gegeben.

Gebaut wurde das Gefängnis als Reaktion auf die Morde an zwei Justizangestellten im Schwerverbrecherknast Marion, Illinois. 1983 brachten an einem Tag zwei Insassen die sie begleitenden Sicherheitsmänner um. Die Regierung stellte 60 Millionen Dollar für den Bau eines neuen Superknasts bereit. Der Bezirk Fremont betrieb harte Lobbyarbeit, um den Zuschlag zu bekommen: Die Anwohner kauften 240 Hektar Land und schenkten es dem Justizministerium.

Die Haftbedingungen sind extrem. 23 Stunden am Tag sitzen Häftlinge in Einzelhaft in ihrer Zelle, die 2 mal 3,60 Meter groß ist. Ein Fensterschlitz von 1,20 Meter mal 10 Zentimetern lässt nur den Blick gen Himmel zu und macht jeden Rückschluss unmöglich, wo man sich in der Anlage befindet. Möbliert sind die Zellen mit einem aus Beton gegossenen Bett, Schreibtisch, Hocker und Regal.

Kaum Kontakt zu anderen Menschen

Die Toilette hört automatisch auf zu spülen, wenn sie verstopft wird, die Dusche läuft mit einem automatisierten Timer. Essensausgabe und Kommunikation erfolgen durch einen schmalen Schlitz in der doppelt gesicherten Stahltür. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International haben Insassen weniger als eine Minute pro Tag Kontakt mit anderen Menschen.

Manche Gefangenen erhalten einen Fernseher. Das Gerät sendet nur Gefängniskanäle mit religiösen Inhalten, Erziehungstipps oder Aggressionstherapie: „Cage your Rage“ – „Sperr Deine Wut ein“. Gefangene dürfen in ihrer Zelle Sport machen und fünf Stunden pro Woche allein unter Aufsicht im Fitnessraum der Anlage trainieren. Er ist mit einer einzelnen Klimmzugstange ausgerüstet. Hanteln und anderes Gerät könnten als Waffen verwendet werden.

Eine Stunde pro Tag verlassen die Insassen ihre Zelle. An Armen, Beinen und mit Bauchkette gefesselt werden sie von mindestens drei Sicherheitskräften zum Hof eskortiert, wo sie in Käfige gesperrt frische Luft atmen dürfen. Der Hof ist komplett betoniert, von hohen Mauern umgeben und von oben mit einem Gitter gesichert, um etwa Befreiungsversuche mit Hilfe eines Helikopters abzuwehren.

Das Gefängnis hat Platz für rund 500 Insassen. Obwohl es offiziell nicht erlaubt ist, landeten jahrelang psychisch Kranke dort. In einer Klage gegen das BOP wurde deutlich, dass ihnen Arzneimittel vorenthalten worden waren. „Wir geben hier keine Wohlfühlmedikamente aus“, sollen Gefängnisärzte den betroffenen Insassen gesagt haben. Sie wurden in der Einzelhaft sich selbst überlassen.

Viele Insassen verletzten und verstümmelten sich selbst, mehrere begingen Suizid. Das BOP war gezwungen, seine Richtlinien zu überarbeiten und eine neue Hochsicherheitsanlage für psychisch kranke Kriminelle in Atlanta einzurichten. Für das ADX Florence gilt weiterhin das alte Mantra, das der ehemalige Direktor Robert Hood einst ausgab: „Es ist nicht auf Rehabilitation ausgelegt. Punkt. Ende der Geschichte.“