€uro-Immobilienatlas: Hamburg

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Hamburg Innenalster (Flickr)

Von wegen hanseatisch kühl: Hamburg ist und bleibt ein attraktiver Wohnort mit einem heißen Wohnungsmarkt. Das knappe Angebot sorgt dafür, dass auch weniger attraktive Wohngebiete verstärkt nachgefragt werden. Auch in den Anrainerstädten steigen die Preise extrem, dennoch gibt es hier noch das ein oder andere Schnäppchen.

Nach neun Jahren Bauzeit wurde im Januar endlich die Elbphilharmonie eröffnet. Für den Hamburger Hafen gab es im Februar hingegen einen Dämpfer, als das Bundesverwaltungsgericht die geplante Elbvertiefung in Teilen für rechtswidrig erklärte. Die Vertiefung darf zwar kommen, die Stadt muss beim Planungsverfahren aber kräftig nachbessern. Das Projekt verzögert sich auf unbestimmte Zeit. Bis dahin kann Hamburg nicht von XXL-Containerschiffen angelaufen werden, die dem Hafen weiter Aufschwung geben sollen. Trotzdem bleibt der Hafen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Hansestadt, die boomt und boomt.
Kaum überraschend, dass Wohnraum in der Hansestadt weiterhin rar ist. „Preisrückgänge sind 2017 nicht zu erwarten, allenfalls gleichbleibende Preise in einigen wenigen Stadtteilen,“ sagt Lars Seidel, Geschäftsführer bei Grossmann & Berger (G & B). Marktforscher des Immobiliendienstleisters rechnen mit einem Preisanstieg von 5,6 Prozent für Wohnungen im Stadtgebiet, für Häuser mit 2,3 Prozent. „Die angespannte Lage am Hamburger Wohnungsmarkt bezieht sich beinahe auf das gesamte Stadtgebiet“, urteilen Analysten der BNP Paribas. Um die hohe Nachfrage nach Wohnraum zu befriedigen, sollen nach dem Willen der Stadtverwaltung statt 6000 jährlich künftig 10 000 neue Wohneinheiten in Hamburg entstehen.
Die alsternahen Stadtteile Harvestehude und Rotherbaum stellen Preisrekorde auf. Entlang der Elbe geben Blankenese, Nienstedten und Othmarschen preislich den Ton an. „Käufer schauen primär auf Lage und Ausstattung der Wohnung, weniger auf den Preis“, so die Makler von Dahler & Company. Weil sowohl Alster- als auch Elbelagen voll entwickelt sind und kaum noch nachverdichtet werden können, bleibt die Nachfrage enorm.
Die Stadtteile westlich der Alster punkten mit exzellenter Infrastruktur, zahlreichen Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Grünflächen. Im Bestand finden sich attraktive Jugendstilhäuser und interessante Neubauprojekte. In Eppendorf, Winterhude und St. Georg müssen sich Mietinteressenten mit Quadratmeterpreisen von durchschnittlich 12,70 Euro abfinden.

Plus 120 Prozent seit 2006. Ein markantes Beispiel für Hamburger Preissprünge ist das Eimsbütteler Generalsviertel, das von Jugendstilhäusern mit Wohnungen um 80 Quadratmeter geprägt ist. Seit 2006 sind die Preise dort um 120 Prozent gestiegen, beobachtet Steffen Goda, geschäftsführender Gesellschafter im Eimsbütteler Büro von Dahler & Company.
Neubauprojekte wie die „Mitte Altona“ und die Erschließung des Holsten-Areals sollen helfen, der hohen Nachfrage Herr zu werden. Im September 2016 verkündete der Projektentwickler GerchGroup, 750 Millionen Euro in das „Holsten Quartier“ zu investieren. Das im Volksmund schon „Hopfenviertel“ genannte Projekt soll ab 2019 als verkehrsberuhigtes Quartier mit Wohn-, Gewerbe- und Büroflächen entstehen und  2021 fertiggestellt werden.
Mitte Altona erstreckt sich zwischen dem Altonaer Fernbahnhof und dem S-Bahnhof Diebsteich. Auf dem Areal entstehen rund 3600  Wohnungen, über 1600 davon im ersten Bauabschnitt entlang der Harkortstraße. Gebaut wird im Drittelmix, der in Hamburg mittlerweile Standard ist: ein Drittel für den freien Markt, ein Drittel Wohneigentum und ein Drittel Sozialwohnungen. Wenn 2024 die Verlegung des Fernbahnhofs abgeschlossen ist, entstehen weitere gut 1900 Wohnungen, sodass Ottensen, Altona und Altona-Nord weiter zusammenwachsen. Auch in Bahrenfeld, das bereits mit der Entwicklung der „Neuen Höfe Bahrenfeld“ aufgewertet wurde, werden die Preise weiter steigen.
Miet- und Kaufinteressenten blicken deshalb auf die Ausläufer der beliebten Wohnviertel. In Altona-Nord, Hoheluft-West und den Randbereichen von Schanzenviertel und St. Pauli hat die Nachfrage spürbar angezogen. Bestandsimmobilien in Altona-Nord kosten mittlerweile pro Quadratmeter 3300 Euro. Das Interesse reicht bis nach Lokstedt, das mit seinen Einfamilienhäusern vor allem junge Familien anzieht. Hier kostete der Quadratmeter im Jahr 2012 noch 2716 Euro. 2016 mussten Käufer rund 1000 Euro mehr zahlen. Das knappe Angebot westlich der Alster führt zu mehr Interesse an den östlichen Stadtteilen. Das Stadtentwicklungskonzept „Stromaufwärts an Elbe und Bille“ hat diesen Trend noch verstärkt: Die Stadt will elf Quartiere in sieben Stadtteilen erschließen und aufwerten. Andreas Gnielka, Bereichsleiter für Bestandsimmobilien bei G & B, berichtet
von deutlich gestiegenen Preisen seit der Vorstellung des Konzepts: „Ein gutes Beispiel ist Billstedt, wo die Preise für Häuser zwischen 2014 und 2017 um 36 Prozent gestiegen sind.“
Barmbek, Hamm, Hammerbrook, Borgfelde und Rothenburgsort werden als Wohnquartiere attraktiver. Barmbek-Nord kann 2017 die Marke von 4000 Euro pro Quadratmeter bei Eigentumswohnungen erreichen. Rothenburgsort liegt in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof und zur Hafencity. Makler rechnen mit Quadratmeterpreisen für Eigentumswohnungen um 3500 Euro.
Durch luxuriöse Wohnprojekte wie dem „Cinnamon Tower“ und dem „Marco Polo Tower“ ist Hamburgs jüngster Stadtteil, die Hafencity, enorm teuer. „Mit direktem Blick auf den Traditionsschiffhafen und der Nähe zur Elbphilharmonie gehört der Kaiserkai zu den attraktivsten Lagen. Der Strandkai wird mit Fertigstellung des Grasbrookhafens weiter zu den attraktivsten Straßenzügen gehören“, sagt Manuela Bischke, geschäftsführende Gesellschafterin des Büros von Dahler & Company in der Hafencity.

Elbe als Preisbarriere. Nach wie vor bringt der Sprung über die Elbe einen deutlichen Preisnachlass. Der Immobilienmarkt in Wilhelmsburg und auf der Veddel entwickelt sich nur langsam. Immerhin: In Wilhelmsburg realisiert die Gerchgroup das „Korallusviertel“. Bis Mitte 2019 sollen bis zu 400 Wohnungen entstehen. Preise stehen noch nicht fest.
Generell hat der Süden eine gute Infrastruktur und verfügt über Flächen. Lüneburg und das Alte Land sind nicht weit. Junge Familien konzentrieren sich auf Alt-Hausbruch, Heimfeld und Marmstorf als Stadtteile, die von Einfamilienhäusern geprägt sind. Hier steigen die Preise, ebenso in Harburg. „In einigen Mikrolagen, wie etwa in Bergedorf, können vereinzelt für sanierte und modernisierte Bestandsobjekte 3500 bis 3900 Euro pro Quadratmeter erzielt werden“, so die Analysten von BNP Paribas. Die gestiegene Nachfrage betrifft sowohl Wohnungen als auch Häuser.

Norderstedt ist der Aufsteiger im Hamburger Speckgürtel. Die fünftgrößte Stadt Schleswig-Holsteins ist beliebt bei Familien, die ein Haus im Grünen suchen. Der Umzug von Tesa gibt der Stadt zusätzlichen Schwung. Die Nachfrage zog 2016 stärker an als erwartet. Dieser Trend setzt sich 2017 fort. Mit optimaler Verkehrsanbindung und Infrastruktur sind alle Voraussetzungen für
eine anhaltend positive Entwicklung gegeben. „Insofern erwarten wir für 2017 sowohl für Häuser als auch für  Eigentumswohnungen signifikante Preissteigerungen“, sagt Andreas Gnielka, Bereichsleiter Bestand bei Grossmann & Berger. Die Makler prognostizieren Quadratmeterpreise von 3000 Euro für Häuser und 2800 Euro für Wohnungen — Schnäppchen sind kaum noch zu finden.

Auf halbem Weg zwischen Hamburg und Lüneburg gelegen, ist die Anbindung ans Schienennetz und die A 39 ein großer Standortvorteil für Winsen. Amazon errichtet ein Logistikzentrum und schafft zusätzliche Arbeitsplätze. Anbindung und Wirtschaftslage sorgen in Winsen für eine gesunde und steigende Nachfrage nach Wohnimmobilien. Weil es viele junge Familien ins Hamburger Umland zieht, ist die Nachfrage nach Doppel- und Reihenhäusern hoch. Auch das Interesse an Eigentumswohnungen steigt. Wer kaufen will, sollte sich beeilen: Auch in Winsen ziehen die Preise an.

Interessenten, die sich die Hamburger Preise nicht leisten können oder wollen, weichen nach Wedel aus. Die Nähe zu Hamburg und die gute Infrastruktur machen die Stadt zu einem attraktiven und gefragten Wohnort. Nach Berechnungen des Maklerhauses Grossmann & Berger sind die Preise für Häuser in nur zwei Jahren um 14 Prozent gestiegen, für Eigentumswohnungen um 25 Prozent. Die Experten erwarten 2017 jedoch eine Stagnation — gute Zeiten für Kaufinteressenten. Bauträger reagieren mit dem Bau neuer Wohnungen, etwa 140 Einheiten im „Altstadtquartier am Steinberg“.