Schatzkammer zum Schnäppchenpreis

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Alaska (Flickr)
Alaska (Flickr)

Good Deal! Vor 150 Jahren verhökerte Russland die Kolonie Alaska – für 7,2 Millionen Dollar. Trotz des Spottpreises zeterten die Amerikaner über die „Gefriertruhe“. Bis sie Gold entdeckten, und dann Öl.

Zwei Salutschüsse dröhnten am 18. Oktober 1867 durch den Hafen von Sitka. Seite an Seite standen 100 russische und 250 amerikanische Soldaten vor dem Gouverneurspalast. Die russische Flagge wurde am Fahnenmast eingeholt und verhedderte sich. Ein russischer Soldat musste hinaufklettern, um sie loszuschneiden. Die Flagge entglitt ihm, wurde von einer Böe direkt auf die russischen Bajonette geweht. Die Anwesenden hielten den Atem an, Prinzessin Maria Maksutowa, die Frau des letzten russischen Gouverneurs, soll in Ohnmacht gefallen sein – ein böses Omen?

Erneut zwei Salutschüsse, unfallfrei wurde die US-Flagge gehisst. Eilig brachte der russische Fregattenkapitän Alexei Alexejewitsch Peschtschurow die offiziellen Höflichkeiten hinter sich: „General Rousseau, mit Erlaubnis seiner Majestät, des Herrschers von Russland, übergebe ich das Territorium von Alaska an die Vereinigten Staaten.“ Deren Vertreter Lovell Rousseau dankte ihm – damit gehörte das riesige Territorium den USA.

Bereits ein knappes halbes Jahr zuvor, am 30. März 1867, hatten Vertreter beider Nationen den Verkauf Alaskas mit ihren Unterschriften besiegelt. Zar Alexander II. brauchte dringend Geld, nachdem ihm der Krimkrieg Löcher in die Staatsfinanzen gefressen hatte.

7,2 Millionen Dollar zahlten die USA für das 1,5 Millionen Quadratkilometer große Gebiet – 4,74 Dollar pro Quadratkilometer, ein Superschnäppchen. Trotzdem waren die Amerikaner wenig entzückt über den Gebietszuwachs. Zu entlegen und schwer zu verteidigen war die Region, als „Gefriertruhe“ oder „Eisbärengehege“ geschmäht. Zudem lebten dort hauptsächlich Ureinwohner – und mit denen hatte man, so die vorherrschende Meinung, in der amerikanischen Steppe schon genug Ärger.

Profite von mehr als 1000 Prozent

150 Jahre später ist die anfängliche Skepsis der Amerikaner längst in große Wertschätzung umgeschlagen. Allen ist bewusst: Alaska hat mit seinen Bodenschätzen viel zum Wohlstand der Vereinigten Staaten beigetragen.

Die Russen indes bereuen ihren Verkauf bisweilen. 2016 wurde auf der Krim eine Tafel mit der Inschrift enthüllt: „Wir haben die Krim zurückgeholt, ihr müsst Alaska zurückgeben.“ Und die russische Rockgruppe „Lyube“, laut Zeitung „Observer“ eine von Putins Lieblingsbands, singt in satirischer Mission: „Veräppele uns nicht, Amerika! Die Zaren haben sich geirrt! Gib uns unser teures Land, unser teures Alaska zurück!“ Vergeblich: Am historischen Verkauf ist nichts zu rütteln, das Land der Draufgänger und Glücksritter fest in US-Hand.

Mehrere Landungsversuche waren gescheitert, bevor 1732 überhaupt ein Eroberer Alaska betrat. 1741 sicherten der im Auftrag des russischen Zaren segelnde Däne Vitus Bering und Alexei Tschirikow Land in dem eisigen Gebiet. Die russischen Eroberer begannen, mit den einheimischen Inuit und Aleuten Handel zu treiben. Walrosszähne und Felle von Seeottern bescherten dem Zarenreich einen Geldsegen.

Die Kolonie Russisch-Amerika und die 1804 gegründete Siedlung Novoarkhangelsk (das heutige Sitka) entwickelten sich zum wichtigen Handelszentrum. Neben Hörnern und Fellen wurden chinesische Stoffe und Tee verladen, zudem Eis – es war vor der Erfindung des Kühlschranks besonders in den heißen Südstaaten der USA gefragt. Die Siedlungen wuchsen, als im 19. Jahrhundert Kohle gefunden wurde. Minen und Fabriken entstanden, die Kolonie prosperierte.

Die Wirtschaft kontrollierte die Russisch-Amerikanische Handelskompanie (RAC) – unter Führung von Alexander Baranov fuhr sie Profite von mehr als 1000 Prozent ein. Als Baranov sich zur Ruhe setzte, engagierte sein Nachfolger Ludwig von Hagemeister eine Entourage an engen Mitarbeitern und Militärangehörigen.

„Ausgelutschte Orange“

Die Gehälter waren üppig, die RAC-Profite schrumpften. Die Zusammenarbeit mit den Einheimischen schlug in Ausbeutung um, die Jagd auf Otter nahm überhand. Als Zar Alexander II. 1866 Kassensturz machte, wurde klar: Die Kolonie war zum Minusgeschäft geworden.

Lange Transportwege fraßen die schmalen Profite auf. Zudem fürchtete der Zar einen Angriff der Briten aus dem benachbarten Kanada; militärisch hätten sie leichtes Spiel gehabt. Bessere Beziehungen unterhielt man mit den südlichen Nachbarn in Amerika. Kurzentschlossen entsandte der Zar seinen Botschafter Eduard von Stoeckl zu Verkaufsverhandlungen mit US-Außenminister William H. Seward.

Auf eine lange Sitzung folgte am 30. März 1867 um vier Uhr morgens die Unterzeichnung des Kaufvertrags. Nach der Ratifizierung durch den Senat am 9. April und der offiziellen Übergabe im Oktober 1867 dauerte es noch einige Monate, bis das Repräsentantenhaus im folgenden Jahr die Kaufsumme von 7,2 Millionen Dollar bewilligte.

In Presse und Öffentlichkeit jedoch traf Sewards Deal auf Unverständnis. Der Tenor: Für gute amerikanische Dollar habe er sich ein riesiges Stück eisigen Landes andrehen lassen, das nichts als Verwaltungskosten verursache. Der Pelzhandel lag weitgehend am Boden. Gerüchte über Gold kursierten – aber wer wollte das schon glauben? „Russland hat uns eine ausgelutschte Orange verkauft“, wetterte die „New York World“ am 1. April 1867.

Amerikaner im Goldrausch

Zu abgeschieden, zu frostig, zu unwirtlich: Kaum ein amerikanischer Siedler mochte sich in Alaska niederlassen. Goldfunde brachten die Wende. Geplagt von der Wirtschaftskrise zogen während des Klondike-Goldrausches ab 1896 zahlreiche Amerikaner gen Norden, um in Alaska und Kanada nach Gold zu suchen. 30 Jahre nach dem Transfer hatte Alaska seinen Kaufpreis mehr als nur wieder eingespielt.

Mit den Goldfunden gewann das Department of Alaska an Einfluss, installierte eine eigene Regierung und bekam 1912 einen Sitz im Kongress. 1946 bat Alaska darum, in die Vereinigten Staaten aufgenommen zu werden – aber erst 13 Jahre später, am 3. Januar 1959, wurde die größte Exklave der Welt tatsächlich zum 49. Bundesstaat.

Schon bald darauf gab der neue Bundesstaat einen schwarzen Schatz preis: Am 18. Februar 1968 stieß man bei Bohrungen in der Prudhoe Bay auf Öl. Das Vorkommen ist mit geschätzten 25 Milliarden Barrel das größte in Nordamerika und eines der 20 größten Ölfelder weltweit.

Das schwarze Gold spülte eine neue Welle Abenteurer nach Alaska – und frisches Geld in die US-Staatskasse. Doch anders als beim Klondike-Goldrausch, als man ohne Rücksicht auf Verluste Raubbau an der Natur betrieb und viele Ureinwohner an eingeschleppten Krankheiten starben, war Alaskas Schatz diesmal an Bedingungen geknüpft: Um Flora und Fauna zu schützen, erließ Washington in den Siebzigerjahren zahlreiche Auflagen.

Problembär im Winterschlaf

So mussten die Vermessungsarbeiten für den Pipelinebau wochenlang unterbrochen werden, um einen Bären im Winterschlaf nicht zu stören. Die Arbeiten an einer Brücke über den Yukon wurden während der Laichsaison der Lachse ausgesetzt. Im Wanderungsgebiet der Karibus musste die Pipeline unterirdisch verlegt werden.

Die Kosten für den Bau der knapp 1300 Kilometer langen Pipeline schossen von den veranschlagten 900 Millionen Dollar auf sagenhafte acht Milliarden Dollar. Ihr Bau längs durch die unwirtliche Einöde galt bald als technische Meisterleistung, ähnlich dem transkontinentalen Eisenbahnbau und dem Flug zum Mond. Wer an Pipelinebau und Ölförderung mitarbeitete, riskierte bei oft 40 Grad minus Erfrierungen und den Kältetod, wurde für die Gefahren aber üppig entlohnt.

Nachdem die Erdölproduktion in Alaska in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen war, entdeckte die spanische Ölgesellschaft Repsol Anfang März 2017 ein gigantisches Erdölvorkommen von 1,2 Milliarden Barrel. Aus Umweltschutzgründen hatte US-Präsident Barack Obama noch Pipeline-Projekte im nördlichsten Bundesstaat gestoppt.

Nun setzt Nachfolger Donald Trump wieder verstärkt auf Öl als Energiequelle. Nach seinem Willen sollen sich die einst in Alaska investierten 7,2 Millionen Dollar weiter vervielfachen – an Bedenken von Umweltschützern stört sich der neue US-Präsident kaum.